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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Autoren: Peter Messner
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nicht immer. Wenn das jetzt nicht die einzige Apotheke wäre, und ich für Charlottes Leistenschmerzen nicht das passende Mittelchen bräuchte, hätte ich sie mitihrem unsympathischen Auftritt einfach stehen lassen. „Na, das ist ja eine Überraschung!“, strahle ich sie zur Strafe in Deutsch an. Ob ich wohl schon der hundertste Pilger diese Woche war, der diese Frage gestellt hat? Oder erst der Fünfzigste? Sie schweigt mit starrer Miene.
    Es wäre natürlich eine Zumutung, sich ein bisschen auf seine Kunden einzustellen, so wie die Menschen im Rest Europas. So bleibt mir nichts übrig, und ich stammele mir in Kleinkindspanisch das Passende zurecht. Immerhin ist der dralle Weißkittel willens und in der Lage, mich zu verstehen. „Muchas Gracias, Senora!“
    Unterwegs gibt es eine überraschende Begegnung mit einem älteren spanischen Radfahrer, der uns in einer Gruppe überholt. Beate und Charlotte hatten den Mountainbiker im Bus bei der Anreise nach Villafranca kennengelernt. Nun rauscht er in Sekunden und - mit einem überraschten „Ola“ von beiden Seiten - an uns vorbei. Doch wir sollten uns schneller wiedersehen, als man sich das wünscht: Nur ein paar Kilometer weiter sitzt der schwer gestürzte Radpilger mitten auf einem abschüssigen Teilstück auf dem Sandboden. Tief ausgewaschene Rinnen im Weg haben ihn zu Boden gestreckt. In eine silberglänzende Rettungsdecke gehüllt, wird er von seinem Radkameraden betreut. Er fürchtet, sich ein Bein gebrochen zu haben. Er sieht ein bisschen geschockt aus, kein Wunder, aber sonst scheint er inguten Händen zu sein. Wir wünschen ihm nach ein paar Minuten des mehr symbolischen Beistands alles Gute trotz seines missglückten Kurzauftritts auf dem Jakobsweg. Der telefonisch alarmierte Rettungswagen kommt uns schon nach wenigen Minuten auf der Staubpiste entgegengeruckelt.
    Kurz vor Sarria entscheiden wir Drei uns, nun auch noch die letzten vier Kilometer zu absolvieren. Bei Beate und Charlotte haben die lädierten Knochen gehalten und sie beißen sich durch. So sehen Pilger aus! Stefan hat sich inzwischen aus Sarria gemeldet und ist gut mit dem Bus eingetroffen.
    Bei der letzten Rast auf den Hügeln über Sarria kommen wir mit einem großen, schwer übergewichtigen Amerikaner aus North Carolina ins Gespräch. Langsam, mit Stock und ohne Gepäck humpelte der Mittsechziger heute schon einmal ein paar Meter vor uns her. Ich hatte ihn aufgrund seiner mühsamen Fortbewegung und zerzausten Erscheinung eigentlich für einen Einheimischen auf dem Weg zum Frühstückswein gehalten. Im Schnelldurchlauf erzählt Herman aus den USA uns von Tisch zu Tisch seine halbe Lebensgeschichte, die aber auch wirklich interessant ist: Hermans Familie stammt aus Deutschland und war seit dem ausgewanderten Urgroßvater über Generationen im Guten wie im Schlechten immer mit der alten Heimat verbunden.
    Hermans Großvater kam als junger Besatzungssoldatim Ersten Weltkrieg 1918 über den großen Teich zurück ins niedergeworfene Kaiserreich. Er lernte hier nicht nur die Heimat seines Vaters, sondern auch seine große Liebe kennen. Er heiratete das deutsche Mädel und kehrte mit ihr in die USA zurück. Der Spross der Verbindung, Hermans Vater, wiederholte dieses Abenteuer ab 1944 im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch er betritt deutschen Boden als amerikanischer Soldat und hilft, Nazi-Deutschland zu besiegen. Auch er findet in Deutschland seine Braut und auch er lebt mit ihr anschließend in den USA. 1973 schließlich ist Herman selbst als Soldat in Landstuhl stationiert. Und - man ahnt es fast - auch er kann sich dem ironisch zwinkernden Schicksal und der Familientradition nicht entwinden. Er findet seine Frau und heiratet die Deutsche.
    Für die Fortsetzung der deutschamerikanischen Freundschaft haben wir heute Nachmittag leider keine Zeit, und ich will im Interesse meiner Tochter - und meinem eigenen -nicht darauf warten, dass Herman plötzlich einen heiratsfreudigen Enkel aus dem Hut zaubert, der Charlotte im Interesse uralter Familientraditionen den Hof macht. Wir müssen weiter, Stefan wartet bereits in Sarria. Wir übernachten nach unserer rustikalen Kuhstallübernachtung heute genussvoll in einem schönen Hotel - ganz ohne frische Landluft.
    Zum leckeren Abendessen bei einem außergewöhnlichfreundlichen Wirt treffen wir Martina und Klaus aus München wieder. Das junge Pärchen, er Anwalt, sie Textilkauffrau, macht eine Woche Wanderurlaub in Galicien.
    Während des Essens stört uns
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