Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)

Titel: Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Autoren: Irene Stratenwerth , Reinhard Berkau
Vom Netzwerk:
Viertelstunde später räumten sie alles wieder ab und warfen, was nicht gegessen worden war, in den Müll. Auch die vier Scheiben weißen Toastbrots zum Mittag, die mit Käsescheibletten oder fetter Wurst belegt waren, rührte ich kaum an. Ich tauschte sie bei Mitgefangenen gegen Äpfel ein, von denen ich mich anfangs fast ausschließlich ernährte. Ein Stück Obst bekam jeder von uns pro Tag.
    Bei der Essensausgabe sahen diese Äpfel vorzüglich aus und schmeckten knackig und frisch. Schon am nächsten Tag aber waren sie mehlig und fad. Es machte also keinen Sinn, Vorräte zu bunkern. Außerdem war das streng verboten. «Das Abendessen ist grundsätzlich max. lauwarm und verkocht.

    Vitamine – nicht erlaubt!
    Gemüse (z.   B. Erbsen, grüne Bohnen oder Mais) schwimmt noch im Kochwasser und wird ohne Salz oder sonstige Gewürze zubereitet», reportierte ich an meine Kinder. Dass ich bereit war, auch die einzige warme Mahlzeit des Tages gegen einen zusätzlichen Apfel oder ein hartgekochtes Ei einzutauschen, sprach sich unter meinen Mitgefangenen rasch herum. Ich fand immer Abnehmer.
    Allmählich trudelten die ersten Briefe aus Hamburg ein. Alles, was mir meine Kinder schickten, wurde von der Poststelle im Gefängnis gnadenlos kassiert: darunter Bücher, Fotos, Schreibpapier oder Vitaminpillen. Unauthorized Content – Vitamins , stand auf einem Formular, das mir einmal statt des Inhalts eines Päckchens ausgehändigt wurde. Ich schickte das Blatt mit meinem nächsten Brief nach Hause zurück und bat darum, es für mich aufzubewahren – ein Souvenir an die abstrusen Verhältnisse, in die ich hier geraten war.
    Einer von hundert – die Gefangenenzahlen in den USA
    Über neun Millionen Menschen auf der ganzen Welt sitzen in Gefängnissen, ein gutes Viertel davon in den USA. Die Vereinigten Staaten von Amerika stellen aber nur etwa ein Zweiundzwanzigstel der Weltbevölkerung: Schon diese Zahlen machen die immense Dimension der amerikanischen Gefängnispolitik deutlich.
    Mitte des Jahres 2008 – so die aktuellsten offiziellen Zahlen – waren rund 2,4 Millionen Erwachsene in amerikanischen prisons und jails inhaftiert. Nicht mitgerechnet sind Jugendliche unter 18, die Strafen in Camps und anderen Spezialeinrichtungen verbüßen; nicht mitgerechnet sind außerdem Insassen von inländischen Militärgefängnissen, von Haftanstalten in Indianerreservaten und Abschiebegefängnissen der U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE) . Sie machen insgesamt knapp fünf Prozent aller Inhaftierten aus, ihre Zahl liegt also bei ca. 120   000 zusätzlichen Gefangenen.
    Mit anderen Worten: Mindestens einer von 100, inzwischen eher einer von 99 erwachsenen Bewohnern Amerikas sitzt heute im Gefängnis.
    Damit sind die USA unter allen Ländern, die die Zahl ihrer Strafgefangenen dokumentieren (und das tun fast alle), weltweit die Nation mit der mit Abstand höchsten Inhaftierungsrate: Auf 100   000 Einwohner kommen in den Vereinigten Staaten mehr Häftlinge als in Russland, in Kuba, in der Volksrepublik China, im Iran oder in Singapur – Ländern, die wegen ihres gnadenlosen Vorgehens gegen Straftäter oder Regierungskritiker gefürchtet und berüchtigt sind.
    Die Zahl der Inhaftierten in den USA hat sich seit den fünfziger Jahren verzehnfacht, während sich die Zahl der Bevölkerung nur knapp verdoppelt hat. Der steile Anstieg der Gefangenenzahlen begann um 1980, und die Zahlen steigen bis heute jedes Jahr, wenn auch in etwas langsamerem Tempo – in den letzten Jahren um etwa zwei Prozent pro Jahr.
    Doch nicht nur die aktuell Inhaftierten sind in den USA «Gefangene» des Strafjustizsystems. Weitere über fünf Millionen Menschen stehen jahrelang unter Aufsicht der Strafjustiz, nachdem sie aus der Haft entlassen wurden (parole) oder eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde (probation) . Das Leben unter parole oder probation ist riskant: Schon kleine Verstöße gegen Bewährungsauflagen – etwa ein versäumter Anruf beim Bewährungshelfer – können eine Inhaftierung nach sich ziehen.
    Insgesamt etwa 7,5 Millionen Menschen – einer von 31 erwachsenen Bewohnern der USA – sind also der direkten Kontrollen durch dieses System ausgesetzt, entweder als Strafgefangene oder mit einem Leben «auf Bewährung».
    Der lange Arm der Justiz reicht weit über den Ablauf der Strafe oder Bewährungszeit hinaus. Wer ein zweites Mal vor Gericht steht, wird in der Regel zu einer sehr viel härteren Strafe verurteilt – in einigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher