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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Wenig bis nichts davon prasselte mehr auf uns im staatlich kontrollierten, sozialistischen Kuba ein. Wir hatten das Gefühl, unter einer riesigen abschirmenden Glocke zu sein.
    Die hauchdünnen politischen Schriften und die vier offiziellen Fernsehsender standen für das extreme Gegenteil unserer modernen Informationsgesellschaft. Die staatseigenen kubanischen Medien zeugten vom gänzlichen Fehlen oder Kürzen von Nachrichten und Informationen. Zensierter Alltag, dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, ein unverrückbarer Zustand.
    Denn von der Welt sollten und durften die Kubaner regierungsgesteuert kaum etwas erfahren. Nur den wohlhabenden, elitären oder listigen Kubanern war dies möglich: kubanische Diskrepanz in der propagierten Gleichheit.
    Unsere wenigen Telefongespräche ähnelten Telefonaten in den 80er Jahren aus dem Italienurlaub. Innerhalb von Sekunden rauschte das eingeworfene Geld des öffentlichen Telefons unter Aufsicht einer linientreuen Mitarbeiterin durch. Die einzigen herunter gerasselten Sätze waren: »Uns geht’s gut. Was gibt es Neues bei Euch? Das Geld ist gleich weg.«
    Als Antwort: »Hier ist nichts Wichtiges passiert«, hallte uns durch die knackende Leitung entgegen. Die Welt drehte sich auch ohne uns weiter, was keine Überraschung war.
    Unser Kontakt von Kuba zum Rest der Welt reduzierte sich auf wenige Emails, die anscheinend nur widerwillig durch das Netz in den westlichen Kapitalismus zum vermeintlichen Klassenfeind krochen. Die Geschwindigkeit ließ vermuten, dass alle Nachrichten von Fidel oder Raul Castro persönlich kontrolliert wurden. Tranceartig glotzten wir auf einen regungslosen Computerbildschirm und erwachten mit dem Bewusstsein, nicht mehr an der globalen Nabelschnur der Welt zu hängen, geschweige denn unter diesen Voraussetzungen daran hängen zu können.
    Wir wurden aus unserer medialen Informations- und Werbewelt zurück katapultiert und gerieten damit von einem Extrem ins andere, von mehreren Tausend Werbebotschaften pro Person und Tag auf eine zweistellige Berieselung. Das, was wir als eine Wohltat empfanden, war für die Kubaner Alltag.
    Die riesige Glocke über Kuba hielt alles von außen Kommende fern und das von innen Entweichende zurück. Gutes, wie auch Schlechtes. Und es war eine Glocke aus Glas, die die Blicke in beide Richtungen durchließ. Aus Geschichten von einigen Kubanern hörten wir heraus, dass sie selbst oder Bekannte ohnehin über Kontakte zu Verwandten im Ausland und durch ausländische Medien wussten, was überall auf der Welt passierte.
     
    Unser Denken wurden in der Millionenstadt Havanna durch extreme Eindrücke, neue Empfindungen und unbekannte Reize angeregt. Auf unseren langen Fußwegen durch unterschiedlichste Stadtviertel landeten wir im limitierten, teils ärmlichen Alltag eines embargobelegten Landes. Aber auch die fröhliche Warmherzigkeit seiner Bewohner fanden wir hier. Ihr Leben spielte sich häufig öffentlich auf der Straße vor ihrem Zuhause ab: Ein älterer Mann saß an einem kleinen Tischchen und reparierte in akribischer Handarbeit uralte Einwegfeuerzeuge, als wären sie kostbare Uhren. Mit eindringlicher Ruhe und endlos scheinender Zeit, die nicht nur er zu besitzen schien. Ein Anderer füllte mit Insektenspray die reparierten Einwegfeuerzeuge auf. Der in unseren Augen kaputte Abfall, erhielt hierdurch – auch für uns – seinen Wert zurück.
    Ölverschmierte Arbeiter lagen unter einem wunderschönen amerikanischen Auto aus den 50er Jahren. Sie lachten laut und hielten Zigaretten und Schraubenschlüssel gleichzeitig zwischen ihren verdreckten Fingern. Die Reifen fehlten beim aufgebockten Wagen und der dazugehörige, aber zerlegte, französische Austauschmotor lag am Bordstein gelehnt daneben. Dem Metallschrot mit Seele wurde zum hundertsten Mal wieder spärliches Leben eingehaucht. Dazwischen hüpften Kinder in Badelatschen über die dicken ölgetränkten Pfützen und spielten fröhlich Fangen. Beobachtet wurden sie von einer weißhaarigen Großmutter, die auf der untersten Steinstufe ihres Hauses saß. Die hohe Holztür der kolonialen Häuserfassade hinter ihrem Rücken stand offen und ließ uns ungehindert durch ihr einfaches Zuhause blicken.
    Durch die kubanischen Straßen wehte der heroische Kampfspruch »Hasta la victoria siempre«, immer bis zum Sieg. Keine Werbemotive mit reißerischen Versprechen oder perfekten Produktabbildungen prangten an den Häuserwänden, sondern die Revolutionserinnerungen mit dem
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