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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben
Autoren: N Förg
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Bilder können einen schon zu
Mordgedanken treiben. Na dann!« Kollege Ostbayern schenkte nach. Sich selbst
und dann Jo.
    Der Wissenschaftsminister trat hinzu.
    »Schöne Krawatte«, sagte Herr Ostbayern, worauf der
Herr Minister sie lockerte, vom Hals zupfte und mit einem Strahlen überreichte.
    »Schenk ich Ihnen.«
    Einer der Bodyguards war herangetreten, flüsterte ihm
was ins Ohr, und mit einem »Auf Wiedersehen« war er weg.
    »Na, das ist ja ein Ding, das glaubt mir meine Frau
nie.« Vorsichtig, als handle es sich um einen Schatz, beförderte Herr Ostbayern
die Krawatte in seine Jackentasche. Und trank zwei weitere Gläser Prosecco auf
ex.
    Während im Raum die Stimmen flirrten, während
Schimpftiraden an Jos Ohr vorbeiflogen, wo Anwälte gerufen wurden, Aussagen
verweigert, wo das Wort »Freiheitsberaubung« wohl das Zeug zum Wort des Tages
hatte, da lehnte Jo an der Wand und fühlte wenig. Außer einer gewissen
Übelkeit.

VIER
    Im Haus schien sich irgendwas zu tun, es schien, als
wäre das Polizeiaufgebot verstärkt worden; es war eine Stimme zu hören, die
Ordnung schuf. Eine neue Stimme, eine, die bisher nicht zu hören gewesen war.
Der zur Stimme gehörende Mann schien die Lage erfasst zu haben, schien eine Art
Vorgesetzter und Entscheider zu sein. Er war wohl dabei, Räume im Obergeschoss
zu Befragungszimmern umzufunktionieren. Denn das wurde Jo auf einmal klar: Jeder, der heute bei der Vernissage gewesen war, war wahrscheinlich verdächtig.
Das war wie bei einem Mörder-Dinner, wie bei Agatha Christie, und gleich würde
der große Poirot eine brillante Rede halten.
    Für einen Moment war Jo versucht, das Ganze für eine
Inszenierung zu halten, das Ganze gehörte zur Vernissage, oder? Allein die Tote
im Klo hatte so … also, so tot ausgesehen.
    Jo richtete ihren Blick auf den Mann zur Stimme, den
Durchblicker, den Checker. Sie sah ihn nur von hinten. Aber die Stimme, diese
Stimme? Sie hatte den Ton schon mal gehört. Diese schwäbische Einfärbung der
Sprache, diese leise Arroganz. Der Mann drehte sich um, Jo heftete ihren Blick
auf sein Gesicht, und auch er sah zu ihr hin. In seinen Augen lag für
Bruchteile von Sekunden Ungläubigkeit, dann Erkennen. Langsam kam er auf sie
zu. Es waren vielleicht fünf Meter, bis er sie erreicht hatte, aber auf dieser
kurzen Distanz lief ein Film im Zeitraffer ab.
    Er war es wirklich. Der Augsburger, der das R wie
Carolin Reiber rollen konnte; sieben Jahre war es her, dass er im Allgäu den
Fall um den toten Bauunternehmer Rümmele aufgeklärt hatte. Der Schicki, der
Schnösel mit den Wildlederhosen, der Mann, der ins Allgäu gepasst hatte wie
eine Moschee aufs Nebelhorn. Den sie verabscheut hatte – und er sie. Der ihr im
Laufe der Ermittlungen dann doch sympathisch geworden war. Oder besser ziemlich
spät, fast zu spät.
    Volker Reiber! Es war Volker Reiber. Er war dann nach
München gegangen, sie hatte ihn aus den Augen verloren. Es war Volker Reiber,
keine Frage. Reiber in Berlin. Reiber in der Bayerischen Vertretung. Als er auf
sie zukam, notierte sie, dass er gut aussah, eigentlich sogar sehr gut aussah.
Wahrscheinlich hatte er das damals im Allgäu auch getan, aber da war er einfach
zu geschleckt gewesen. Heute trug er Jeans und einen grob gestrickten
Rollkragenpulli, darüber eine Lederjacke. Immer noch teure Designerstücke, das
war klar, das war Reiber, aber er trug sie in neuer Lässigkeit. Er war für Jos
Geschmack zu dünn, marathonläuferdünn, aber er war ein schöner Mann. So eine
Mischung aus George Clooney und Richard Gere.
    »Frau Dr. Kennerknecht, Johanna, Jo, ich … Sie sind es
doch?«
    »Herr Reiber, Volker! Waren wir eigentlich per Du?« Jo
lächelte ihn an.
    »Äh, keine Ahnung, dann sind wir es heute eben. Jo,
was machst du hier?« Er gab ihr die Hand und lachte sie offen an.
    »Die unerträgliche Schwere des Seins über mich ergehen
lassen. Ich gehöre zu dieser Delegation hier, und wir hatten das Vergnügen, die
Kunst der Frau Pfaffenbichler erleben zu müssen.« Jo verdrehte die Augen.
»Allein die Dame ist nicht aufgetaucht.«
    Reiber hatte sie aufmerksam angesehen, Jo spürte seine
Präsenz, seinen starken Willen. Es ging etwas von ihm aus, das er früher nicht
gehabt hatte. Er war erwachsen und sich seiner selbst gewahr. Ein Mann in den
Dreißigern war neben ihn getreten, und Reiber stellte vor. »Akim, mein Kollege,
das ist Frau Dr. Johanna Kennerknecht, wir kennen uns von früher.«
    »Angenehm«, sagte der Mann, der so
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