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Hundediebe kennen keine Gnade

Hundediebe kennen keine Gnade

Titel: Hundediebe kennen keine Gnade
Autoren: Stefan Wolf
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luchsten rein und erlebten den
Schreck ihres Lebens. An der Wand lagen nämlich zwei Skelette. Auf einem
Totenschädel saß noch der Stahlhelm. Die beiden Männer waren vermodert, aber
Reste der Uniformen noch erkennbar. Es handelte sich um deutsche Soldaten.“
    „Fanden hier Kämpfe statt?“ fragte
Thilo. „Wurden sie erschossen?“
    „Sie waren verhungert“, erwiderte
Tarzan. „Der Bunker war ihre Todesfälle. Sie hatten sich dort versteckt und die
Tür war — wie gesagt — verschlossen. Verhängnisvollerweise ließ sie sich von
innen nicht mehr öffnen. Hab mir das angesehen. Die Tür ist etwa 40 Zentimeter
dick und nur halb so groß wie eine übliche Stahlbetontür. Außen noch mit
Stahlblech verkleidet. Verriegeln ließ sich dieser Bunkereinstieg ehemals von
innen und außen. Mit einem schweren Eisenhebel. Auf der Innenseite war er
abgebrochen — und zwar total. Nur der Stahlbolzen ragt noch aus dem Beton. Man
konnte die Tür zwar von außen verschließen, aber nicht mehr von innen öffnen.
Wie es zu der Tragödie kam, weiß niemand. Vielleicht brach der innere Hebel ab,
nachdem sich die beiden eingeriegelt hatten. Vielleicht wurden sie eingeriegelt
von Dritten — versehentlich, absichtlich, warum auch immer. Es wurde nie
geklärt. Jedenfalls gab es für sie kein Entrinnen. Die sonstigen Öffnungen sind
fingerbreite Sehschlitze. Bestimmt haben die beiden um Hilfe gerufen, aber es
war niemand da, der sie hören konnte. Sie verhungerten. Und seitdem — das haben
irgendwelche Spinner aufgebracht — spuke es in dem Waldviertel. Als militante (kämpferische) Gespenster gingen die beiden Soldaten um Mitternacht um. Das glaubt zwar
keiner, der seine fünf Sinne unter Kontrolle hat. Aber wer gruselt sich nicht
gern. Hab mal einen Typ aus der Realschule gekannt, der fuhr dort nachts mit
dem Rad vorbei. Angeblich hat er Marschtritte, Kommandos und Säbelrasseln
gehört. Das mit den Säbeln ist mir rätselhaft. Die Toten hatten nämlich nicht
mal Bajonette (Seitengewehre).“
    „Stark!“ meinte Thilo.
    „Sehen wir uns den Bunker an?“ wollte
Flori wissen. Sein Gesicht glühte plötzlich.
    „Meinetwegen“, nickte Tarzan. „Wir
machen eine so miese Zeit — auf fünf Minuten mehr kommt’s nicht an. Außerdem
müssen wir uns an der Tür mit Kreide verewigen — verewigen bis zum nächsten
Regen.“
    Eine Weile radelten sie schweigend. Der
Habichtswald nahm sie auf. Fichten reckten sich. Es gab Unterholz. Am Rand
wuchsen Laubbäume, die jetzt Herbst-Look trugen — also Buntes.
    Auf den ersten Blick wirkte der Wald
schön und stark wie seit Urzeiten. Wer aber tiefer blickte, dem entging nicht,
wieviele Bäume bereits krank und wieviele schon tot waren, obwohl sie noch
standen. Denn Bäume sterben aufrecht, wenn nicht Säge und Axt ihr Leben
beenden.
    Was ihren ungewollten Tod herbeiführt —
überall in Deutschland und Europa — , ist die Verpestung der Luft und des
Bodens: durch die Gifte, die aus Schornsteinen und Fabrikanlagen entweichen,
und durch andere Gifte, die überall lauern.
    Die Blitzbuche.
    Weiter!
    Sie folgten jetzt einem Waldweg. Er war
schmal. Sie mußten hintereinander fahren.
    Stille umgab sie. Schonungen zu beiden
Seiten waren hochgewachsen.
    Einmal kamen sie an einem umzäunten
Forstgarten vorbei, einem sogenannten Saatkamp. Beim Kahlschlag reihten sich
wadenhohe Baumstümpfe aneinander. Ein Weg für Holzabfuhr kreuzte. Der dichte
Wald ging in Stangenholz über. Schneisen teilten es. Tarzan spähte nach Wild.
Aber um diese Zeit hatten sich Hirsche und Schwarzkittel zurückgezogen in die
Tiefe des Waldes, wo es gemütlicher war als dicht bei den Menschen.
    Wieder standen die Fichten hoch:
Altholz. Unterholz wuchs nach und scharte sich um die Stämme wie kleine Kinder
um ihre Eltern.
    Ein Pfad bog ab — in dichtes Unterholz.
    „Dort ist es“, sagte Tarzan.
    Er fuhr voran.
    Der Pfad war kaum so breit wie der
Rennradlenker. Zweige berührten Tarzan von beiden Seiten.
    Über die Schulter sagte er: „Wenn dich
die Äste kitzeln, Pfote — tu so, als merkst du’s nicht.“
    „Hihih! Die sind aber aufdringlich.“
    „Sind ja auch Wildpflanzen — im
Gegensatz zu Zierpflanzen. Die würden sich zieren.“
    Der Bunker stand hinter Büschen. Er
ragte nur anderthalb Meter über den Boden. Moos hatte ihn überzogen wie grüner
Samt. An einigen Stellen sah man die Betonwände. Auf dem Dach gediehen zwei
Nachwuchs-Fichten. Die Bunkertür stand offen.
    Tarzan sprang vom Rad und trat vor
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