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Hunde Jahrbuch

Hunde Jahrbuch

Titel: Hunde Jahrbuch
Autoren: Dreizehn Autoren
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einem gekonnten Lady-Diana-Blick von unten nach oben an. Denn er wusste wie die längst dahin gegangene Lady, dass ein solcher Rehblick eine unwiderstehliche Wirkung auf die Menschen ausübte.  
    Tatsächlich reagierte Klein-Herrchen wie erwartet. Er nahm ihm den Ball ab, lobte ihn und tätschelte dabei den Kopf des Labradors. Moritz war auf der Beliebtheitsskala seiner Menschen wieder um einen Millimeter höher gestiegen. Denn je beliebter er war, desto eher fiel etwas für ihn ab. Und wenn nicht sofort, dann doch irgendwann später. Deshalb sah er in dem Pingpongball auch nicht das, was er war. Stattdessen schien es ihm, als flögen Hundekuchen durch die Luft, getrocknete Rinderpansenstreifen, Käsestückchen oder, oder, oder. Denn man muss wissen: Moritz war ein Feinschmecker, der die leckeren Seiten des Lebens wirklich zu schätzen wusste und keine Gelegenheit ausließ, sich die gebratenen Tauben ins Maul fliegen zu lassen.  

    Es war sonntags immer dasselbe. Kaum hatten die Herren der Schöpfung das Mittagessen verschlungen, da eilten sie auch schon hinaus, alles stehen und liegen lassend. Mutti würde es schon richten. Sie hasste diese Haltung. Während Gatte und Sohn draußen um die Tischtennisplatte herumhetzten, durfte sie wieder Hausfrau spielen, die Geschirrspülmaschine bestücken, die Küche aufräumen und die Anrichte säubern. Wie jeden Sonntag. Zu allem Überfluss war noch eine Portion Tortellini mit Lachsfüllung übrig geblieben. Die hatte sie morgens extra frisch zubereitet. Und ohne zu übertreiben: Die Nudeln waren hervorragend geraten. Einfach köstlich. Was sollte sie mit denen nur machen? Sie hatte sich eine solche Mühe gegeben. Wann würden die beiden Paschas endlich einmal lernen, ihre Kochkünste wertzuschätzen? Es war manchmal wirklich frustrierend, für sie zu kochen.  
    Entschlossen ging sie auf die Terrasse, um den Restposten an den Mann bzw. an „ihre Männer“ zu bringen. „Möchte jemand von euch beiden noch ein paar Tortellini haben? Sie stehen auf dem Küchentisch und sind noch warm. Ich kann sie nicht aufheben, morgen schmecken sie nicht mehr. Und um sie wegzuschmeißen, dazu sind sie doch zu schade.“ Ein ebenso dürres wie nichtssagendes „Ja, ja“ war die Antwort. Seufzend ging sie zurück ins Haus, zurück in die Küche. Sie war wütend und kurz davor, die Lachs-Tortellini in den Müllschlucker zu befördern. Davor bewahrte sie allerdings der schokofarbene Labrador, der ihr anstelle des Gatten oder des Sohnes gefolgt war. Tatsächlich war Moritz der Auftritt seines Frauchens draußen im Garten nicht entgangen und er hatte sich angesprochen gefühlt. Ohne von jemandem aufgefordert worden zu sein, war er ihr auf leisen Sohlen gefolgt und hockte – von der Hausherrin völlig unbemerkt – lautlos hinter ihrem Rücken neben dem Küchentisch. Als sie sich anschickte, die italienische Köstlichkeit zu entsorgen, wäre sie fast über den Hund gestolpert. Sie erschrak und fuhr ihn an: „Moritz, pass doch auf!“, stutzte jedoch und wurde gleich wieder milder gestimmt. Denn es fiel ihr nicht schwer, augenblicklich nachzuvollziehen, warum der Hund plötzlich vor dem Tisch saß und wie gebannt auf die darauf befindliche Schüssel starrte. Hatte er sie etwa verstanden, als sie gerade eben die restlichen Tortellini dem Gatten bzw. dem Sohn angeboten hatte? Sie dachte aber nicht weiter über das Besondere dieser Situation nach, sondern griff nach der Schüssel, nahm den Deckel ab und hielt sie samt köstlichen Inhalts Moritz unter die Nase. Verdammt noch mal, sollte doch der Hund die Tortellini fressen. Er war sowieso der Einzige, der ihr Essen zu würdigen wusste, fuhr es ihr durch den Kopf.  
    Dem Labrador lief indes das Wasser im Maul zusammen. Er ließ sich nicht zweimal bitten und versenkte seinen Kopf in das Porzellangeschirr. Die Küche war gleich darauf von einem gierigen Schmatzen erfüllt, das voller Hektik vorgetragen wurde. Moritz hatte es immer eilig, eine einmal begonnene Mahlzeit zu beenden. Stets und überall befürchtete er Futterneider, und dieser Verfolgungswahn trieb ihn an, sein Fressen in Rekordzeiten zu verschlingen. Auch dieses Mal war die Portion in gut einer Minute
    vertilgt. Nachdem er sich die Schnauze einige Dutzend Male links und rechts genüsslich abgeleckt hatte, öffnete er den Fang, ließ die Zunge ein Stückchen heraushängen und lächelte sein Frauchen breit grinsend an, als wollte er sagen: Brave Köchin.
    Und da soll noch einer sagen,
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