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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi
Autoren: Nicola Förg
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vor einiger Zeit im Karwendel kennengelernt hatte. Klare Männer, schnörkellose Manieren. Diese beiden würden sich bestimmt gut verstehen.
    Es funktionierte auch diesmal. Sepp sprang ein. »Und jetzt liegt ein Toter im Keller, du hast Urlaub und findsch den Kerla. Herrgott Sakrament!«
    »Woher weißt du das denn?«, fragte Irmi überrascht.
    »Mir sind in Staufa, Föhl …«
    Wie nett, dass er sie als Mädchen bezeichnete, dachte Irmi. In Oberstaufen schien jeder jeden zu kennen. Die wenigen Einheimischen mussten auch Schulterschluss zeigen inmitten von Kurgästen, Tagesgästen, Wandergästen, Angehörigen der Menschen, die in der Schlossbergklinik auf Leben hofften.
    »Und dann schafft mei Nichte im Service. Du hosch Kaffee b’stellt, du Schrothbrecherin!« Er lachte.
    Die Welt war klein, keine Frage.
    »Diese kleine Denunziantin!«, meinte Irmi im Scherz, aber so richtig zum Lachen war ihr nicht zumute, noch immer hatte sie das Bild von Martin vor Augen. Als sei es eingebrannt in ihre Netzhaut.
    »Dann weiß deine Nichte ja sicher auch, wer er war.«
    »Martin Maurer hatte nebenan eine Ferienwohnung und kam zu den Anwendungen rüber. Ist schon seit Längerem da und steht ganz schön unter Beobachtung.«
    Irmi runzelte die Stirn. »Beobachtung?«
    »Der Maurer isch Immobilienmakler oder so was. Er will a alt’s Hotel kaufen, verzehlt ma sich allat.«
    »Wer ist man?«
    »Mei, viele Staufner. Wo ma halt so verzehlt. Beim Bäcker, in der Apotheke. Mir wend des it.«
    »Was wollt ihr nicht?«
    »Dass der des kauft. Oder der Kunde von ihm allat.«
    »Und warum nicht?« Die sollten doch froh sein, wenn einer einen alten Schuppen kaufte und wiederbeleben wollte. So ähnlich formulierte sie das auch und sah Sepp fragend an.
    »Aber it der Russ!«
    Oje, der Russe als touristischer Supergau. Schon ihre Großväter und Väter hatte man vor »dem Russen« gewarnt. Während des Kalten Krieges hatte die Sowjetunion ganzen Generationen von Schauspielern als James Bond ihre Daseinsberechtigung verliehen. Und dann: Mauerfall, Osterweiterung, Annäherung, kein Feindbild mehr.
    Gottlob begannen sie dann zu reisen und konnten als Schreckgespenst die geldigen Araber auf Platz zwei verdrängen. Seit Jahren fielen die Russen nun schon in den teuren Orten der Alpen ein und machten sich als Gäste meist höchst unbeliebt – wegen ihres neuen Geldes und ihres schlechten Benehmens. Wenn kaum achtzehnjährige Russenpüppis in Garmischs guten Geschäften die Sau rausließen, das Personal beleidigten und dann großspurig die Fünfhunderter auf die Verkaufstresen flattern ließen, war das mehr als unschön.
    Irmi war mit ihm einmal in St. Moritz gewesen. Im neuen Kempinski hatten sie residiert, weil er das von der Firma bezahlt bekommen hatte. Und sie hatten sich beim Diner um sieben im großen Saal unter den Lüstern gefragt, wie so junge Frauen schon drei Kinder zwischen zehn und vierzehn Jahren haben konnten. Am zweiten Tag hatten sie es begriffen: Am Tisch saßen die Sprösslinge mit Nanny und Bodyguard, die Eltern aßen erst gegen elf in der Nacht.
    Der Bodyguard hatte dann neben ihr an der Bar gestanden und hatte ausgesehen wie ein dritter Klitschko-Bruder. Sehr höflich hatte er Eis für die Kinder bestellt, und als er bezahlte, blitzte eine Riesenwaffe aus seinem Pistolengurt unter dem Sakko. Irmi hatte keine Illusionen: Menschen wie er hatten eine andere Reizschwelle, und ihr Lebensmotto »wie gewonnen, so zerronnen« machte sie gefährlich. Das wussten wohl auch die Staufner.
    Sepp hatte das Gesicht verzogen. »Mir hend jetzt scho gnug Russa. Do braucht’s kui Hotel allat.«
    »Ein Russe ist der Investor?«, hakte Irmi nach.
    »Verzehlt ma, ja, und dass der abreißt und des dann a Kjubb werden soll.«
    »Ein was?«
    »Kjubb Hotel, so a neimodischer Kaschta für junge Schnowboarder. Nix als Party.«
    Ein Kjubb? Es dauerte etwas, bis Irmi geschaltet hatte. Ein Cube Hotel, klar! In Biberwier stand so ein Kasten mitten auf der grünen Wiese neben der Talstation der Marienbergbahn. Kathis Mama hatte damals zu den Befürwortern gehört, doch viele Einheimische im Tiroler Zugspitzgebiet waren gegen den »potthässlichen Bauhof« gewesen.
    Nun ja, das Ding war relativ schnörkellos. Verglichen mit den verschnörkelten, von Erkern zugepappten Architekturfurunkeln in Schweinchenrosa, wie man sie all überall in Tirol fand, war der Cube aber durchaus ein Gewinn, dachte Irmi. Außerdem musste man junge Leute in die Berge ziehen, bevor die
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