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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Autoren: Evelyn Sanders
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haben, alle Eingeborenen wie Trottel behandeln? Ignoranten gibt es in jedem Land, auch hier, aber die verreisen wenigstens nicht.« Plötzlich fing sie an zu kichern. »Ein Glück, daß Toni noch nicht da ist. Wenn sie das eben mitgekriegt hätte, wären wir schon heute aus dem Hotel geflogen. Denk bloß mal an ihren Aufstand in der Moschee.«
    Florian dachte daran und war ebenfalls dankbar für Frau Antonies Verspätung. Im übrigen kam sie gerade, flankiert vom Rest der Sippe.
    Julia futterte Gummibärchen. »Sie hat Oma jetzt erst rausgerückt. Drei Päckchen hatte sie dabei und kein Wort gesagt. Einen halben Bonbonladen hat sie mitgenommen. Wir geiern hier nach was Süßem, und sie hat die ganze Tasche voll.«
    Sie habe gar nicht mehr daran gedacht, entschuldigte sich Frau Antonie, erst heute morgen habe sie die ganzen Vorräte gefunden, als sie ihre Reisetasche hervorgeholt hatte. Sie habe die Süßigkeiten vor Urlaubsbeginn gekauft, um eventuell Kinder von Angestellten damit zu erfreuen, nur habe sie gar keine gesehen, und deshalb werde sie die ganzen Sachen jetzt im Dorf verteilen. Nein, danke, Kaffee wolle sie nicht, sie habe bereits Tee gehabt. Wann? Eben an der Bar, zusammen mit Herrn Kasulke. Etwas laut sei er ja und auch ein bißchen gewöhnlich, aber ein herzensguter Mensch und recht unterhaltsam. Deshalb habe sie auch nicht gemerkt, daß es schon so spät geworden war.
    »Dann kann’s ja losgehen«, sagte Karsten, »also auf zur Bescherung.«
    Die Andenkenverkäufer unternahmen nur noch halbherzige Versuche, die sechs Spaziergänger in ihre Buden zu lokken. Sie wußten meist ziemlich genau, wer seinen Bedarf an Souvenirs schon gedeckt hatte. Außerdem wiesen diese Gäste hier die typische Langzeitbräune auf, waren also bestimmt schon in Mombasa gewesen, kannten die Preise und ließen sich nicht mehr so leicht übers Ohr hauen. Tüten mit Tauschartikeln hatten sie auch nicht dabei, also würde kaum ein Geschäft mit ihnen zu machen sein. Nur Frau Antonie trug eine, doch als ein Schwarzer neugierig hineinschaute, winkte er ab. An Bonbons war er nicht interessiert.
    »Wie hast du dir das eigentlich vorgestellt, Mutti?« wollte Karsten wissen. »Baust du dich vor der Moschee auf und betätigst dich als Marktschreier? Oder wie sonst willst du das ganze Zeug loswerden?«
    So genau wußte das Frau Antonie auch nicht. »Ich kann doch den Kindern, die immer vor den Hütten spielen, einige Süßigkeiten zustecken, die können sie dann mit anderen teilen. Seht mal, da sind ja schon welche.«
    Schwesterchen und Brüderehen kamen ihnen entgegen, etwa fünf und zwei Jahre alt. »Jambo«, sagte Schwesterchen, und Brüderehen echote: »Jammo.«
    »Wait a moment!« Frau Antonie griff in die Tüte und fischte eine Packung Smarties heraus. Sie hatte den Deckel noch gar nicht abgenommen, da sah sie sich plötzlich von johlenden Kindern umringt. Zwanzig, dreißig, vielleicht auch mehr schubsten sich gegenseitig zur Seite, droschen aufeinander ein, trampelten rücksichtslos auf den hingefallenen herum, schrien, brüllten … es sah barbarisch aus. Vergebens versuchten Florian und Karsten, sich zur völlig eingekesselten Frau Antonie durchzukämpfen, sie schafften es nicht. Tobias zerrte ein Kind nach dem anderen aus dem Pulk, aber das nützte wenig, es stürzte sich sofort wieder in das Getümmel. Und es wurden immer mehr. Von allen Seiten kamen sie angerannt, auch Halbwüchsige waren dabei. Langsam wurde die Situation bedrohlich.
    »Wirf die Tüte weg!« schrie Karsten, »möglichst weit.« Er glaubte zwar nicht, daß seine Mutter ihn bei dem Höllenlärm verstanden hatte, doch offenbar war sie auf den gleichen Gedanken gekommen. Mühsam gelang es ihr, den rechten Arm, an den sich lauter Kinderhände klammerten, freizukriegen und die fast geleerte Tüte fortzuschleudern. Kaum drei Meter weiter fiel sie ins Gras, aber ihr Inhalt genügte, die Meute von ihrem Opfer abzulenken. Kreischend stürzte sie sich auf das neue Ziel, und die Prügelei ging von vorne los.
    »Wo sind die denn so plötzlich hergekommen?« japste Frau Antonie, bevor sie halb ohnmächtig in Karstens Arme sank. »Es waren doch überhaupt keine da.«
    »Wahrscheinlich haben sie uns ganz genau beobachtet«, vermutete Julia, »und als du in der Tüte gekramt hast, sind sie aus ihren Löchern gekrochen. Richtig gefährlich hat das ausgesehen. Ich dachte, die bringen dich um.«
    »Genau dasselbe habe ich auch gedacht.« Frau Antonie war wieder zu Atem
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