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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower
Autoren: C. S. Forester
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Aber leider mußte er sich elend hinkend und gebeugt hinausschleppen. Man hatte ihm keine Gelegenheit gegeben, auch nur ein einziges Wort zu seiner Verteidigung vorzubringen. Wer weiß, vielleicht war es besser so. Vielleicht hätte er ungeschickt gestammelt, wäre er gar ins Stocken geraten, er hatte sich ja nicht auf eine Rede vorbereitet. Er humpelte die Stufen der Treppe hinunter.
    Wenigstens wurde er erschossen und nicht erhängt. Aber wie war es denn? Schmerzten die Kugeln, die ihm in die Brust einschlugen, etwa weniger als ein Strick, der sich um den Hals zusammenzog? Er schleppte sich in die Zelle hinein, die jetzt schon ganz im Dunkeln lag. Tastend suchte er nach seiner Matratze und ließ sich darauf nieder. Nun war er also endgültig unterlegen - zum ersten Male sah er sein Schicksal in diesem Licht. Er hatte volle zwanzig Jahre gegen Bonaparte gerungen, und nun war Bonaparte in der letzten Runde Sieger geblieben.
    Gegen Kugeln gab es keine Argumente.
    Man brachte ihm drei Kerzen, die die Zelle hell erleuchteten.
    Nein, es gab keine Ausrede, er war geschlagen. Mit bitterer Selbstverachtung dachte er an das dumme Wortgefecht mit dem Adjutanten, auf dessen Ausgang er sich noch vorhin etwas eingebildet hatte. Er war ein ausgemachter Narr! Der Graf zum Tode verurteilt - und Marie, ach Marie, Marie! Seine Augen füllten sich mit Tränen, er drehte sich auf seiner Matratze hastig zur Wand, daß seine Bewacher nichts davon merkten. Marie hatte ihn geliebt, und sein Wahnsinn hatte sie das Leben gekostet. Jawohl, sein Wahnsinn und Bonapartes überlegenes Genie. Herrgott, könnte er nur diese letzten drei Monate noch einmal durchleben. Marie, Marie. Verzweifelt wollte er sein Gesicht in die Hände vergraben, hielt aber in der Bewegung inne, als er daran dachte, daß ihn drei Augenpaare unablässig beobachteten. Man sollte ihm nicht nachsagen, er sei feige in den Tod gegangen. Das durfte nicht sein, um Richards willen, um Barbaras willen nicht. Barbara liebte Richard und würde für ihn sorgen, dessen konnte er sicher sein. Was aber würde sie von ihrem toten Mann denken? Sie wußte, sie hatte bestimmt erraten, warum er nach Frankreich gekommen war, sie war sich auf jeden Fall auch über seine Untreue im klaren. Sie mußte sich dadurch im Innersten verletzt fühlen. Konnte man ihr vorwerfen, wenn sie sich nicht dafür verpflichtet hielt, sein Andenken zu ehren? Natürlich konnte und würde sie wieder heiraten. Sie war ja noch jung und schön, sie war reich und besaß die höchsten Verbindungen. Was stand ihr also im Wege? Mein Gott, wie weh es tat, wenn man sich vorstellte, daß Barbara vielleicht schon bald freudejauchzend in den Armen eines anderen lag.
    Dabei hatte er doch selbst in den Armen Maries gelegen. Oh!
    Marie! Er ballte die Fäuste, daß sich die Nägel schmerzend in die Handflächen gruben. Ein Blick sagte ihm, daß ihn die Augen der anderen nicht losließen. Er durfte keine Schwäche zeigen.
    Wäre jenes Unwetter nicht losgebrochen, das die Loire überschwemmte, dann wäre er noch in Freiheit, dann lebte Marie noch, dann wäre der Aufruhr noch immer im Gange.
    Bonapartes Genie hatte also nicht genügt, ihn zur Strecke zu bringen, das Schicksal selbst hatte ihm dazu ein Bein stellen müssen. Diese Schlachten in Belgien, wer wußte es denn, vielleicht sagten die Siegesmeldungen Bonapartes doch nicht die Wahrheit. Ob es wirklich Entscheidungsschlachten gewesen waren? Vielleicht wären sie es geworden, wenn die Division Clausens zur Stelle gewesen wäre, statt fern vom Schuß im Nivernais zu liegen. Vielleicht - wie töricht von ihm, sich mit solchen eitlen Hirngespinsten trösten zu wollen! Morgen um diese Zeit - in wenigen Stunden - war er den Weg bereits gegangen, den so viele schon vor ihm hatten gehen müssen.
    Man brachte frische Kerzen, die alten waren bis auf kurze Stumpen niedergebrannt. War es möglich, daß die Nacht zu schnell verging? Bald mußte der Morgen dämmern, bald - im Juni brach der Tag frühzeitig an. Er begegnete dem Blick eines Wächters, obgleich dieser versuchte, seinen Augen auszuweichen. Da zwang er sich zu lächeln, aber er spürte sogleich, daß er nur eine klägliche, gequälte Grimasse schnitt.
    Vor der Tür klirrte ein Schritt. Unmöglich, daß man ihn schon holte! Und doch, die Riegel rasselten, die Tür ging auf, der Adjutant trat ein. Hornblower versuchte aufzustehen, aber er fühlte mit Entsetzen, daß ihn seine Beine nicht trugen. Noch einmal quälte er sich, stehen zu
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