Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
Weg hier zur großen Halle des Schlosses, den er heute zu gehen hatte, war leider viel kürzer als hundert Meter. Als er mit seiner Eskorte aus dem Keller ans Tageslicht kam, stieß er auf den Grafen, der zwischen zwei Husaren langsam einher schritt. Die beiden Gruppen hielten einen Augenblick an. »Mein Sohn, ach, mein Sohn!« sagte der Graf. »Kannst du mir vergeben, was ich dir angetan habe?«
    Hornblower war nicht im geringsten erstaunt, daß ihn der Graf als seinen Sohn bezeichnete. Ganz von selbst kam ihm die entsprechende Antwort über die Lippen: »Ich habe dir nichts zu vergeben, Vater, ich bin es, der um Verzeihung zu bitten hat.«
    Woher kam dieser plötzliche, unwiderstehliche Zwang, sich auf das Knie niederzulassen und den Kopf zu beugen? Und was überkam den Grafen, diesen alten Freidenker und Anhänger Voltaires, daß er jetzt segnend die Hand über ihn hielt?
    »Sei gesegnet, mein Sohn, Gott möge dich segnen«, sagte er.
    Dann setzten sie beide ihren Weg fort, Hornblower blickte noch einmal zurück, die hagere Gestalt mit dem grauen Haupt verschwand gerade um die nächste Ecke...
    »Er wird morgen bei Anbruch der Dämmerung erschossen«, erklärte der Adjutant, während er die Tür zur großen Halle öffnete. Clausen saß in der Mitte des Richtertisches, rechts und links von ihm schlossen sich je drei Offiziere als Beisitzer an, und die beiden Enden des Tisches waren durch jüngere Offiziere besetzt, die Papier und Schreibzeug vor sich liegen hatten.
    Hornblower kam hereingehumpelt, er gab sich verzweifelt Mühe, seinem Gang einige Haltung zu verleihen, aber es wollte ihm nicht gelingen. Als er vor dem Tisch angelangt war, erhob sich der Offizier an dessen einem Ende. »Ihr Name?« fragte er.
    »Horatio Lord Hornblower, Ritter des hohen Bath-Ordens, Kommodore Seiner Britischen Majestät Flotte.«
    Die Richter tauschten untereinander Blicke, der Offiziere am anderen Ende des Tisches, der anscheinend das Protokoll führte, begann, mit größter Hast zu schreiben. Der Fragesteller aber - offenbar der Ankläger - nahm alsbald, zum Gerichtshof gewandt, das Wort:
    »Der Gefangene hat uns seinen richtigen Namen angegeben.
    Wie ich höre, hat er Seiner Exzellenz Herrn General Clausen und Herrn Hauptmann Fleury den gleichen Namen genannt.
    Außerdem stimmt sein Äußeres genau mit der seinerzeit veröffentlichten Beschreibung überein. Wir dürfen daher seine Identität als erwiesen betrachten.«
    Clausen warf einen fragenden Blick nach dem Richterkollegium. Die Beisitzer nickten. »Es bleibt mir also nur die Aufgabe«, fuhr der Ankläger fort, »dem Hohen Gericht ein Kriegsgerichtsurteil vom 10. Juni 1811 vorzulegen, indem es heißt:›'Oratio Hornblower, der sich vorsätzlich dem Gewahrsam entzogen hat, wird wegen nachgewiesenen Seeraubs und nachgewiesener Verletzung des Kriegsrechts zum Tode verurteilt‹. Dieses Urteil wurde am 14. Juni des gleichen Jahres durch Seine Kaiserliche und Königliche Majestät eigenhändig bestätigt. Den Herren Richtern liegen beglaubigte Abschriften des Spruches vor. Ich beantrage, daß dieses Todesurteil nunmehr vollstreckt wird.«
    Wieder sah sich Clausen nach seinen Beisitzern um, ein sechsfaches Nicken verkündigte ihm ihr Einverständnis. Dann trommelte er einen Augenblick mit den Fingern auf dem Tisch und hob zuletzt den Kopf. Er zwang sich offenbar dazu, Hornblower in die Augen zu sehen. Als Hornblower dem Blick des Generals begegnete, wußte er in seiner merkwürdigen Hellsichtigkeit plötzlich um die wiederholten Befehle Bonapartes an Clausen, »diesen Hornblower unter allen Umständen festzunehmen und an Ort und Stelle zu erschießen«.
    Mochte ihr Wortlaut auch anders gewesen sein, ihr Sinn stand für ihn fest. In Clausens blauen Augen war deutlich Abbitte zu lesen. Dann begann Clausen langsam zu sprechen:
    »Das hier versammelte militärische Gericht entscheidet: Besagter 'Oratio Hornblower ist morgen bei Tagesgrauen durch Erschießen hinzurichten. Seine Hinrichtung hat unmittelbar nach der des Aufrührers Gracay zu erfolgen.«
    »Seeräuber werden gehängt, Eure Exzellenz«, sagte der Ankläger. »Das Gericht hat entschieden, daß Hornblower erschossen wird«, wiederholte Clausen. »Der Gefangene ist abzuführen. Die Verhandlung ist geschlossen.«
    Der Schlag war gefallen. Hornblower wußte, daß ihm aller Augen folgten, als er sich abwandte und durch die Halle zurückging. Hätte er nur erhobenen Hauptes und mit zurückgenommenen Schultern ausschreiten können!
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher