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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut
Autoren: Barbara Brinkmann
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sie etwas sagen wollte, ist der Satz schon wieder weg gewesen. Und immer hat der Dr.   Lechner schon wieder weitergeredet.
    »Die nette kleine Provinzpolizistin, die ihren ganzen Ehrgeiz auf den Job verwendet   – und dabei ihre Gesundheit und ihr Privatleben vernachlässigt. Mit diesem durchaus reizenden Mann, den sie sich auf Distanz hält, vornehmlichdurch die Tatsache, dass er im Ausland lebt und sie hier. Zu dumm, dass er sie heute hat herkommen lassen. Und dazu noch alleine. Anstatt sie in die Klinik zu bringen. Wie gesagt, mit der entsprechenden medizinischen Behandlung wäre das kein Problem gewesen. Sie wollten ja nicht auf mich hören. Aber jetzt werden Sie mir zuhören. Jetzt, wo Sie schon so weit gekommen sind, will ich Sie nicht länger auf die Folter spannen.«
    Er hat der Katharina noch einmal zugeprostet und einen Schluck aus seinem Glas genommen.
    »Dass Thomas Altmann Probleme gehabt hat, war jedem klar, der mit ihm zu tun hatte. Thomas hat eine Menge geerbt   – und sein Vermögen in geliebte Dinge und Menschen investiert. Auch Sabine und ich können nicht klagen. Ihre Praxis und dieses Haus sind ein Beweis seiner Großzügigkeit. Aber wenn einer sehr spendabel ist, dann ist das Vermögen irgendwann fort. Also mussten Jobs her, die schnelles Geld versprechen. Daher unter anderem Thomas’ Polen-Geschichte. Dieser Zigaretten-Schwarzhandel. Das Ganze war durchaus lukrativ, wurde aber ein bisschen heiß in letzter Zeit, vor allem auch, weil Andreas Hafner wohl Wind davon bekommen hat, bei was er da eigentlich mitspielt, und dann die Polen auch noch die Nerven verloren haben.«
    Der Lechner und seine Schwester haben das schon immer so gemacht: Sie hat die Männer um den Finger gewickelt, Geld abgezapft und an ihren Bruder geleitet. So haben sie gut gelebt und sich geliebt. Ein durch und durch berechnendes Geschwisterpaar.
    Die letzten Jahre haben sie das Vermögen vom Altmann erleichtert. Das war zumindest die Geschichte, wie der Dr.   Lechner sie erzählt hat.
    Die Tierärztin hat nur auf die dunklen Baumwipfel in der Ferne gestarrt und irgendwas geflüstert, was die Katharina nicht richtig verstanden hat. Aber aus dem Flüstern hat die Katharina trotz ihrer verlangsamten Gedanken etwas herausgehört. Nämlich, was der Dr.   Lechner nicht verstanden hat, und das war, dass die Hohenstein den Hafner wirklich gemocht hat.
    Dass da jenseits der Geldgier bei ihr noch was anderes war. Aber manchmal will der eine, und der andere will nicht. Und wenn einer etwas unbedingt will, was er nicht kriegen kann, dann kommt er, respektive sie, mitunter auf seltsame Ideen.
    Tatsächlich hat der Thomas sich in die Sabine verliebt. Nur beim Hafner hat das keinerlei Eifersucht hervorgerufen, im Gegenteil. Erleichtert war der, weil er ja die Hohenstein losgehabt hat. Aber weil der Thomas ein enger Freund vom Hafner war, hat sie immer noch ständigen Kontakt gehabt mit dem Objekt ihrer Begierde. Die nie abgeklungen war. Und dann ist ihr die absurde Idee gekommen, den eigenen Freund verschwinden zu lassen, um beim Hafner irgendeine Emotion zu wecken. Dass sie beide dann die Sorge und die Trauer um den Vermissten zusammenschweißen wird. Weiter hat sie aber nicht gedacht, geschweige denn geplant. Aber der Dr.   Lechner, der alles getan hat, um seiner Schwester seine Liebe zu zeigen, hat ihre seltsame Idee in die Tat umgesetzt.
    Wie man manchmal in die Dinge hineingerät.
    Wie sie sich manchmal verselbstständigen.
    Wie man nicht mehr zurückkann.
    Die Stimme vom Dr.   Lechner hat immer noch weitererzählt.
    »An jenem Mittwoch, als Thomas hier erschienen ist,hat der Zufall ihn mir in die Arme gespielt. Mittwochs ist mein freier Tag, da bin ich gerne hier in Süchting. Thomas war vollkommen durch den Wind. Er sagte, er müsse das Land verlassen, Wieslaw Pawliczyk sei hinter ihm her, weil er, Thomas, den Mord an Jurek bezeugt habe. Und irgendwas von irgendwelchen offenen Rechnungen.
    Ich hab ihm erst mal einen Drink in die Hand gedrückt, damit er sich beruhigt   – und dann war er
recht
ruhig.
Verdammt
ruhig. So ruhig wie Sie, meine Liebe.«
    Er hat sie angegrinst, und die Katharina hat es nicht recht verstanden. Also im Grunde gar nicht verstanden. Jetzt war sie zu langsam. In die Dinge hineingeraten. Die sich manchmal verselbstständigen.
    »Wissen Sie, im Grunde habe ich nur im Namen der Liebe gehandelt, das einzig ehrbare Motiv. Sabines Rechnung jedoch ist nicht aufgegangen. Schon damals mit Andreas’ Kater hat
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