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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1
Autoren: Am Abgrund
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die Wahrheit. Ein mächtiger Hexenmeister, der mit dem Satan persönlich im Bunde sei, heißt es.«
»Glaubst du an Zauberei?« Andrej ging weiter und lachte laut, vielleicht ein bißchen zu laut und zu heftig, um den bohrenden Schmerz über seinen frischen Verlust übertönen zu können - den er in seiner ganzen grausamen Bedeutung wahrscheinlich sowieso erst in ein paar Tagen begreifen würde. Zudem begann ein ungutes Gefühl schleichend Besitz von ihm zu ergreifen. Er hätte sich fast gewünscht, daß Frederic nicht weiter sprechen würde.
»Sie taten es jedenfalls«, antwortete Frederic düster. »Noch in der Nacht sandte Barak einen Boten ins Dorf, der jeden Mann, jede Frau und jedes Kind für den nächsten Morgen in die Burg bestellte. Dort haben sie dann alle umgebracht.«
Andrej schauderte es. Er war froh, daß Frederic es so kurz gemacht hatte. Natürlich würde er ihn über alle Einzelheiten befragen müssen, aber nicht jetzt. Er hatte schon viel zu viel gehört.
»Alle?« fragte er erschüttert.
»Alle, die du gesehen hast«, antwortete Frederic. »Die anderen haben sie in Ketten gelegt und mitgenommen, ebenso alles Vieh und alle Schätze, die sie finden konnten.«
»Raubritter also«, knurrte Andrej. Zorn erfüllte ihn. Über ganz Transsilvanien hing die Türkengefahr wie ein Damoklesschwert, und es hätte ihn nicht verwundert, wenn Borsã Opfer eines der kleineren Scharmützel geworden wäre, die größere Abwehrschlachten gegen die expansionslüsternen Türken zu begleiten pflegten. Aber Raubritter? Das Dorf selbst war nie besonders friedlich gewesen und in seiner mittlerweile schon recht langen Geschichte mehr als einmal in eine Fehde mit einem Nachbarort verwickelt gewesen, wobei es durchaus des öfteren selbst einen Zwist vom Zaun gebrochen hatte. Auch wenn sie es niemals laut zugeben würden: Sie hatten stets in dem Bewußtsein gelebt, eines Tages an den Falschen geraten zu können, der ihnen eine bittere Niederlage zufügen konnte, möglicherweise sogar eine vernichtende. Damit hätte Andrej sich abfinden können. Es wäre bitter gewesen, und sicher hätte er im ersten Moment auch blutige Rache geschworen, aber er hätte damit leben können.
Doch sein einziger Sohn, seine gesamte Familie, das Borsã-Tal, ausgelöscht von gemeinen Räubern? Das war unvorstellbar!
Frederic schüttelte den Kopf. »Nein, es waren keine Räuber. Ich sagte doch, es waren Kirchenmänner. Bruder Toros hat einen von ihnen gekannt. Sonst hätte Barak ihnen doch nie vertraut!«
Andrej dachte an den selbstgefälligen und bösartigen Mönch, dem er vor Jahren oft die Pest den Hals gewünscht hatte, und der nun mit ausgestochenen Augen und unter schwerster Folter für all seine Sünden hatte büßen müssen - was für ein grausamer Scherz des Schicksals. »Bruder Toros hat immer noch bei euch gelebt? Oder ist er etwa erst mit den anderen zurückkommen?«
»Er war unser Gottesmann«, belehrte ihn Frederic. In seiner Stimme schwang hörbarer Stolz, der nur zu verständlich war, da bei weitem nicht jedes Dorf einen eigenen Gottesmann vorzuweisen hatte.
»Wie konntest du entkommen?« fragte er.
Frederic senkte beschämt den Blick, und es dauerte eine ganze Weile, bis er antwortete. Vielleicht so lange, wie er gebraucht hatte, um sich eine glaubhafte Geschichte auszudenken.
»Ich war der jüngste Sohn meines Vaters«, sagte er, »und für die Ziegen verantwortlich. Ich treibe sie morgens aufs Feld und am Abend wieder zurück, weißt du? An dem Abend, an dem die Fremden kamen, war ich unaufmerksam.«
»Du hast ein paar Tiere verloren«, vermutete Andrej. Das Gefühl kannte er. Er erinnerte sich noch jetzt an die fürchterliche Tracht Prügel, die ihm sein Vater verabreicht hatte, als er einmal mit drei Tieren weniger zurückkam, als er am Morgen mitgenommen hatte.
»Zwei«, sagte Frederic. »Es war meine Schuld. Ich sah all diese Reiter und Männer in Richtung Dorf ziehen und war neugierig. Ich bin auf einen Felsen geklettert, um besser sehen zu können. Als ich zurückkam …«
»Waren die Ziegen weg«, vermutete Andrej.
Frederic nickte niedergeschlagen. »Ich habe meinem Vater nichts davon gesagt. Ich hatte Angst, daß er mich schlagen würde. Aber spät in der Nacht, als alle schliefen und auch in der Burg die letzten Feuer erloschen waren, habe ich mich noch einmal aus dem Haus geschlichen, um nach den Ziegen zu suchen. Ich habe sie nicht gefunden.«
»Aber dadurch hast du die Versammlung verpaßt«, vermutete Andrej. »Danke Gott
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