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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür
Autoren: Stefan Wolf
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von
Tim, denn eine so frühe Zeit gilt international sowohl für Besuche wie auch
Anrufe als off limits (Sperrzone). Es wurde später Vormittag. Wieder war
es sonnig und heiß. TKKG hatten sich auf dem Pausenhof in eine schattige Ecke
abgesondert, und Gaby benutzte Karls Handy, weil ihres dringend eine Aufladung
aus der Steckdose brauchte.
    »Ich habe ein ungutes Gefühl«,
meinte Gaby und horchte aufs Freizeichen.
    »Der oder die mit dem Wagen
kann ihn sonst wohin mitgenommen haben«, sagte Tim. »Ist ja Urlaubs- und
Reisezeit. Vielleicht sind sie in Italien.«
    »Wenn ein Blinder...«, begann
Klößchen.
    Aber Gaby machte »Pst!« und setzte
ein Lächeln auf, hatte nämlich Verbindung. Tim schob den Kopf dicht an seine
Freundin heran, einerseits um mitzuhören, andererseits wegen der schmusigen
Nähe.
    »Korlitzer«, sagte ein leicht
ermatteter Bariton.
    »Hallo, Herr Korlitzer! Ich
bin’s, Gaby Glockner. Wie geht es Ihnen?«
    »Danke! Gut«, kam die Antwort
nach kurzem Zögern.
    »Sie klingen... eh...
erkältet.«
    »Bin ich auch. Und überhaupt
ein bisschen mitgenommen. Vorläufig gehe ich nicht aus dem Haus.«
    »Tut mir Leid, Herr Korlitzer.
Können wir, ich und meine Freunde, Ihnen helfen? Wir übernehmen gern Ihre
Besorgungen. Wir kaufen für Sie ein.«
    »Sehr freundlich. Aber ich habe
alles. Ist wirklich nicht nötig.«
    »Ich hatte ja angekündigt, dass
wir Sie besuchen. Dass ich meine Freunde mit bringe.«
    »Ich erinnere mich.«
    Gaby schien zu stutzen, wie es
Tim vorkam, und ihr Lächeln wurde bemüht.
    »Gestern waren wir bei Ihnen,
Herr Korlitzer. Ich hatte auch Oskar mitgebracht.«
    »Ich... war nicht zu Hause.«
    »Das haben wir bemerkt. Und
mein schlauer Freund, der Tim, hat die Reifenspuren vor Ihrer Garage gesehen.
Sie hatten Besuch, nicht wahr?«
    »Ja. Hatte ich.« Der Blinde
schien nervös zu werden. Seine Worte klangen abgehackt.
    »Würde es Ihnen heute passen?«,
fragte Gaby. »Ich möchte Sie gern mit meinen Freunden bekannt machen. Am
Nachmittag könnten wir. Allerdings nicht vor vier Uhr.«
    Sekunden verstrichen. »Das...
äh... Ich will euch nicht anstecken. Ich glaube, ich habe eine Sommergrippe.«
    »Kein Problem für uns, Herr
Korlitzer. Wir haben alle eine tolle Immunität (Unempfindlichkeit). Wir
sind Nichtraucher, Kaltduscher und essen vitaminreich.«
    »Tja... Ich weiß nicht...«
    »Wir kommen einfach mal
vorbei«, lud Gaby sich fröhlich ein. »Wenn wir Sie nerven, werfen Sie uns raus.
Also bis nachher. Tschüs!«
    Sie schaltete aus, bevor er
Einwände machen konnte. Ihr bemühtes Lächeln verschwand. Sie sah die Jungs an
und gab Karl das Handy zurück.
    »Er hat eigentlich eine
angenehme Stimme«, sagte Tim. »Aber so wie er rüberkommt, ist er eher
unangenehm. Der sitzt nicht nur im Mauseloch, Pfote. Der vermauert bereits den
Zugang.«
    »Viel schlimmer, Tim. Der arme
Kerl ist nicht nur blind. Jetzt baut er auch geistig ab.«
    »Den Eindruck hatte ich nicht.«
    »Aber ich. Du kannst das nicht
wissen. Es war... eine Eingebung, als ich sagte, ich hätte euch angekündigt.«
    »Hast du nicht?«
    »Mit keiner Silbe. Weil er ja
immer gleich ablehnt. Ihn muss man überraschen.«
    »Hm.« Tim dachte nach.
»Vielleicht hat er’s vergessen und wollte sich nichts anmerken lassen.
Andererseits sind Besuche von Fremden offenbar sein Problem und so was vergisst
man nicht.«
    »Du sagst es. Außerdem... hat
er irgendwie... gefremdelt. Er hatte mich schon weit mehr akzeptiert. Jetzt ist
er wieder zurückgefallen in seinen Eiszeit-Vorboten-Tonfall. Richtig seltsam.«
    »Vielleicht gehört er unter
Wilhelmtell — oder wie das heißt?«, meinte Klößchen.
    »Kuratel«, verbesserte Karl.
»Unter Vormundschaft — weil die eigenen geistigen Fähigkeiten nicht mehr
ausreichen zur Bewältigung des Lebens. Teil, Wilhelm, ist ein Schweizer
Nationalheld aus dunkler Zeit, als es dort noch keine Schokolade gab, und
vermutlich der bekannteste Armbrustschütze.«
    Gaby seufzte. »Ich weiß nicht,
ob wir die Behörden auf Alexander Korlitzer hinweisen sollten.«
    »Wir werden es merken«, sagte
Tim, »wenn wir nachher mit ihm reden. Aber erst haben wir noch Mathe und Bio
und dann Theater-Workshop. Die Radtour zu Korlitzer wird eine Erholung sein,
nachdem wir uns stundenlang nur den Hintern breit gedrückt haben.«
    »Du mit deinen unmenschlichen
Witzen«, knurrte Klößchen. »Um vier bin ich erledigt wie ein Marathonläufer
nach persönlicher Bestzeit auf voller Strecke.«
    »Bis dahin hast du noch
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