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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike
Autoren: Kai Brodersen
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registrierte kurz, dass er sich wirklich an der Stelle des verschollenen Ilion befand, warf weg und riss nieder, alles in
     der Sicherheit, dass er schon wissen würde, wann er am Ziel sei und also einhalten müsste. Mitten durch den Burgberg schlug
     er einen vierzig Meter breiten Graben und fand erst in einem Abgrund von 17 Metern die unterste Schicht, sein Troia – aber
     nicht sein Letztes.
    Fast widerwillig tauchte er im dritten Jahr, 1873, ein wenig höher, zur „Verbrannten Stadt“, die monströse Schuttschichten
     und große Mauern näher ans Bild eines heroischen Kampfes rückten als das bescheidene Dorf am Boden seines Grabens, das später
     Troia I heißen sollte. Dann fand er Gold, Gold in Mengen, und fühlte sich als Sieger. Und als Sieger zog er vorerst nach Mykene
     und Tiryns weiter, heimlich geniert, soviel zerstört zu haben. Als er wiederkam, musste er sich überzeugen, dass er nicht
     einmal alle Schichten angeschnitten hatte. Ja, der „Schatz des Priamos“ erwies sich nach Schliemanns eigener Entdeckung der
     mykenischen Kultur als Relikt einer Zeit, in der es noch gar keine Mykener gab – aber ohne König Agamemnon aus Mykene kein
     Troianischer Krieg. Neun große Schichten unterschied der genaue (und behutsamere) Wilhelm Dörpfeld, der sich jahrelang ordnend
     auf Schliemanns Spuren mühte, und erst Troia VI konnte in die gewünschte Epoche fallen.
    Ohne es zu ahnen, hatte Schliemann die Zeit bis hinunter nach 3000 v. Chr. durchmessen, in die Frühe der Bronzezeit. Heilsame
     Ratlosigkeit war die erste Folge, als die Wissenschaft verstanden hatte, was da zu Tage getreten war. Wäre der Troianische
     Krieg solideste Historie, er brächte uns vom spätantiken Ilion, gegen 500 n. Chr., um gerade 1700 Jahre zurück – noch einmal
     soviel bleiben bis zum Anfang von Troia I. Vor dem Hügel von Hisarlık hat die Altertumswissenschaft den Respekt vor den endlosen
     Zeiten gelernt, von denen sie einst so gut wie nichts wusste. Die „historische Zeit“ lag zwei Meter hoch, während das Schrift-
     und Namenlose das Siebenfache füllte.
    Das Leid der einen war der Glücksfall der anderen, der jungen Vor- und Frühgeschichte, die sich an Troia und seinem Nimbus
     eigenständig machte. Sie hatte sich gleich noch mit der mykenischen Kultur zu befassen, deren Spuren Schliemanns Schicksalsberg
     streiften. Auch sie gab anfangs keine Dokumente preis. Als man sie aber endlich hatte und noch später lesen konnte, sprachen
     sie von Königen an der Spitze ausgetüftelter Verwaltungen, den homerischen Helden herzlich unähnlich. |16| Deren Namen wiederum trugen die schlichtesten mykenischen Zeitgenossen.
    Was die kurzerhand „Troia“ getauften Siedlungen unter Ilion mit diesem Griechenland oder dem mythischen Krieg zu tun gehabt
     hatten, blieb Gegenstand der Spekulation. Nur die Geographie gab einige Hinweise, dass Homer diesen Winkel der Troas im Auge
     gehabt haben musste, als er einer alten Sage ungeahntes Leben schenkte.
     
     
    Die Tiefen der Zeit
     
    Die Landschaft war einladend. Am Ostufer einer tiefen Bucht zwischen Hügeln und Vorbergen, die sich nordwärts in den Eingang
     der Dardanellen öffnete – ehe Sand und Schutt sie auffüllten –, wählten die ersten Siedler eine Anhöhe, anfangs nicht weit
     vom Meer. Quellen sprangen aus dem Hügel, zwei nahe Flusstäler boten Acker- und Weideland, und in Sichtweite der Siedlung
     lagen hier die Bergwälder des Ida, dort die ersten von vielen Inseln der Ägäis.
    So entstand bald nach 3000 v. Chr. Troia I, ein Bauern-, Hirten- und Fischerdorf. Einem Brand folgte um 2600 v. Chr. der großzügige
     Neuauf bau zu Troia II, in dessen Ziegelmauern eine Reihe von Lokalfürsten residiert haben muss, unter denen die Stadt zu
     erstem Wohlstand kam. Bis 2450 v. Chr. zählt man acht Bauphasen; auf der Burg entstanden mehrere große Häuser, vielleicht
     auch ein Kultzentrum, die erste bekannte Keramik, die in der Ägäis auf der Töpferscheibe geformt wurde, fand sich hier, und
     Bronzefunde deuten auf größere Vorräte dieses in Krieg und Frieden wichtigen Materials. Noch glänzender sind in heutigen Augen
     die rund zwanzig Goldschätze, voran der „Schatz des Priamos“ aus Troia IIg, Schliemanns „Verbrannter Stadt“. Ein weiterer
     Brand beendete die Existenz auch der letzten Bauphase, der 2450 v. Chr. ein prompter Wiederauf bau folgte.
    Ob die vier Phasen, in denen bis 2200 v. Chr. die Existenz von Troia III verlief, einen Niedergang bedeuten,
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