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HISTORICAL Band 0264

HISTORICAL Band 0264

Titel: HISTORICAL Band 0264
Autoren: NICOLA CORNICK
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versetzt, so groß war der Schock für ihn. Skrupellos, habgierig und leicht zu manipulieren … eine Frau, die einen sterbenden Mann erpresste … Jetzt wusste er, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Sie war die Besitzerin eines Spielclubs, der die Schwäche der Männer ausnutzte, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
    Dennoch passte diese Neuigkeit so ganz und gar nicht zu dem spontanen Bild, das er sich von ihr während ihrer kurzen Unterhaltung gemacht hatte. Sie hatten zwar nicht lange miteinander gesprochen, trotzdem hatte sie ihn verzaubert. Normalerweise neigte er nicht zu so groben Fehleinschätzungen. Neben dem Schock empfand er plötzlich noch ein anderes, tiefer gehendes Gefühl, beinahe so etwas wie Enttäuschung.
    Aus einem Impuls heraus wollte er ihr nacheilen, doch dann bemerkte er, wie sich ein Herr zu ihr gesellte und ihr seinen Arm bot, während sie ihn lächelnd ansah. Jähe Eifersucht durchzuckte Jack, schmerzhaft und völlig unerwartet. Er erkannte den Mann; Gregory, Lord Holt, war ein guter alter Freund von ihm. Er fragte sich, ob Holt wohl Miss Bowes’ nächstes Opfer sein würde.
    Jack straffte die Schultern. Schon am nächsten Tag würde er Miss Bowes aufsuchen und ihr unmissverständlich klarmachen, dass sie ihre Versuche, Geld von seinem Onkel zu erpressen, unverzüglich zu unterlassen hatte. Er würde sie warnen, dass es sehr gefährlich war, wenn sie sich ihn zum Feind machte.

1. KAPITEL
    „Miss Bowes?“
    Die Stimme klang leise, sanft und vertraut. Sie ertönte ganz dicht neben Sallys Ohr, sodass sie schlagartig erwachte. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Ihr Nacken war ein wenig steif, und etwas Kühles drückte gegen ihre Wange.
    Papier.
    Sie war schon wieder in ihrem Büro eingeschlafen. Ihr Kopf ruhte auf dem Stapel von Rechnungen und Aufträgen auf ihrem Schreibtisch. Sally öffnete die Augen, aber nur halb. Es war fast dunkel. Die Lampe verbreitete ein warmes Licht, und hinter der Tür waren leise Musik und Stimmengewirr zu hören. Der Geruch nach Zigarrenrauch und Wein lag schwach in der Luft. Das bedeutete, dass es schon spät sein musste; das abendliche Amüsement im „Blue Parrot Club“ hatte bereits begonnen.
    „Miss Bowes?“
    Dieses Mal klang die Stimme deutlich weniger freundlich und zudem mehr als nur ungeduldig. Sally richtete sich auf und verzog das Gesicht, als ihre schmerzenden Muskeln gegen diese Bewegung protestierten. Sie rieb sich die Augen und schlug sie dann ganz auf. Sie erstarrte und rieb sich die Augen erneut, um sicherzugehen, dass sie nicht träumte.
    Nein, sie träumte nicht. Er war immer noch da.
    Jack Kestrel stand vor ihr, die Hände auf die Schreibtischplatte gestützt und den Oberkörper nach vorn gebeugt, sodass sich seine und ihre Augen auf ungefähr der gleichen Höhe befanden. Aus dieser geringen Entfernung konnte Sally sich nicht gleichzeitig auf alle seine Gesichtszüge konzentrieren, aber sie hatte sie von der vergangenen Nacht her noch allzu gut in Erinnerung. Er war kein Mann, den man schnell wieder vergaß, sah er doch auffallend gut aus. Er hatte dunkelbraunes Haar, das sehr weich und vom Sommerwind ein wenig zerzaust aussah, eine gerade Nase und einen sündhaft sinnlichen Mund. Im Allgemeinen ließ Sally sich nicht von gutem Aussehen allein beeindrucken. Sie war keine naive Debütantin mehr, die sich von einem attraktiven Mann den Kopf verdrehen ließ. Jack Kestrel jedoch hatte einen atemberaubenden Charme, und sie hatte es in der vergangenen Nacht sehr genossen, sich mit ihm zu unterhalten. Sie hatte es sogar fast zu sehr genossen. Seine Gesellschaft war gefährlich verführerisch gewesen. Wie leicht es ihr gefallen wäre, seine Begleitung zu akzeptieren und dann vielleicht auch noch eine Einladung zum Essen …
    Schon lange hatte sie sich nicht mehr so versucht gefühlt und dabei gewusst, dass sie es sich nicht erlauben konnte, Jack Kestrel besser kennenzulernen. Sobald er ihr seinen Namen genannt hatte, war ihr Misstrauen erwacht, denn jedes Mitglied der vornehmen Gesellschaft kannte ihn. Aus der Ahnenreihe der Dukes of Greenwood waren im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert viele, viele Lebemänner und Filous hervorgegangen, und manche sagten, dass dieser Mann der Letzte seiner Art war, aus demselben Holz geschnitzt wie seine Vorfahren. Er war ein Cousin des derzeitigen Dukes und der mögliche Erbe des Herzogtums. Als junger Mann war er nach einem unerhörten Skandal, in den eine verheiratete
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