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Hintergangen

Hintergangen

Titel: Hintergangen
Autoren: Rachel Abbott
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maximaler Wirkung verhalf.
    Während sie auf das Läuten der Hausglocke wartete, zwang sie sich, tief durchzuatmen und sich zurückzulehnen, um ihre angespannten Glieder zu lockern, unfähig, zu entscheiden, ob dieses seltsame Gefühl in ihrer Brust nun Angst oder Vorfreude war. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen, aber oft an ihn gedacht. Ohne zu wissen, wie sie auf seine Ankunft reagieren würde, bemühte sie sich um Fassung. In einem schlichten, aber eleganten Ensemble aus dunkelgrauer Hose und einer taubengrauen Seidenbluse sah sie weder zu hergerichtet noch zu lässig aus – jedenfalls war das die Absicht. Ihr Haar hatte wieder seinen natürlichen brünetten Farbton und fiel ihr offen über die Schultern.
    Endlich hörte sie den vertrauten Glockenton und stand rasch vom Sofa auf, verlangsamte dann aber ihren Schritt, während sie die Eingangshalle durchquerte, um die Tür zu öffnen. Sein dunkelblondes Haar war etwas länger, und sicher hatte auch er seiner Garderobe mit Sorgfalt gewählt. Kein nüchterner Anzug für einen Arbeitstag, sondern ein schwarzes Polohemd und die gleiche Lederjacke, an die sie sich von ihrer ersten Begegnung her erinnern konnte. Die Traurigkeit, die ihn umgab, kam ihr jedoch noch ausgeprägter vor, und sein Lächeln hatte einen verkrampften Zug, der ihr bisher noch nicht aufgefallen war.
    »Hallo, Laura. Wie geht es Ihnen?«
    »Tom. Schön, Sie zu sehen. Ganz gut, danke. Und Ihnen?«
    »Lucy fehlt mir, aber ich komme schon zurecht. Sie haben hier ja wahre Wunder vollbracht. Wenn man die Auffahrt heraufkommt, meint man glatt, es wäre ein anderes Haus.«
    »Verzeihung, ich lasse Sie hier in der Tür stehen. Bitte, kommen Sie doch herein.«
    Als Tom aus dem hellen Sonnenlicht in die Eingangshalle trat und Laura erneut musterte, bemerkte sie die Überraschung in seinem freundlichen Blick.
    »Sie sehen sehr gut aus«, sagte er. »Becky hat mich gewarnt, ich solle mich schon mal vorbereiten, aber Sie sehen wirklich wunderbar aus.«
    Laura dankte ihm mit einem Lächeln, wusste aber nicht, was sie sagen sollte, während sie ihm voraus ins Wohnzimmer ging. Sie nahm Platz und verschränkte ihre zitternden Hände und hoffte, Tom würde es nicht merken. Statt sich ihr gegenüber auf das Sofa zu setzen, ging er zur Verandatür hinüber, durch die warme Frühlingsluft hereinzog. Dort blieb er mit dem Rücken zu ihr stehen, offenbar in die Aussicht auf die späten Narzissen und frühen Tulpen versunken, die im Garten blühten. Sie hatte sich in seiner Gegenwart zuvor nie unbehaglich gefühlt, doch an diesem Nachmittag war es anders. Tom brach als Erster das Schweigen.
    »Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, dass wir das Team reduzieren, das in Hugos Mordfall ermittelt. Im letzten halben Jahr haben wir keine rechten Fortschritte gemacht, wie Sie sicher wissen. Wir schließen zwar nicht die Akten, aber ich habe darum gebeten, mit anderen Aufgaben betraut zu werden.« Er hatte ihr immer noch den Rücken zugewandt.
    »Das kann ich verstehen. Sie wollen sicher eine Aufgabe, bei der sich mehr tut. Dieser Fall muss ja allmählich recht öde für Sie sein.«
    »Allerdings! Öde ist er eigentlich schon seit einem halben Jahr. Es ist schwer, Verdächtige zu vernehmen, wenn man von vornherein weiß, dass sie unschuldig sind, und Beweismaterial zu sichten, das nichts ergibt.« Tom fuhr zu ihr herum. Er sah fast wütend aus.
    Seinem Gesichtsausdruck sah sie an, dass er die Wahrheit wusste und dass Will recht gehabt hatte. Jemand hatte ihr Gespräch tatsächlich belauscht. Sie wich seinem Blick jedoch nicht aus, sondern war fast erleichtert, denn irgendwie erklärte das seine Abwesenheit während der letzten paar Monate.
    »Das tut mir leid, Tom. Wenn Sie das alles wissen, haben Sie aber doch eine Alternative , nicht wahr?«
    »Eigentlich nicht. Reden wir nicht lange drumherum, Laura.«
    Sie vermutete schon länger, dass er sie gehört hatte. Aber sie verstand nicht, wieso es nicht zu einer Verhaftung gekommen war. Oder wieso er nicht wenigstens mit ihr darüber geredet hatte. Allerdings hätte er dann natürlich handeln müssen. Ein riesiges Durcheinander! Jede Nacht träumte Laura von dem Tag, an dem sie Hugo umgebracht hatte, und jeden Morgen war ihr beim Aufwachen schlecht. Zwar war ihr nicht klar gewesen, was für ein bösartiges Ungeheuer er wirklich gewesen war, doch es hatte gereicht. Und für sie stand außer Zweifel, dass sie es wieder tun würde. Sofort.
    Frühlingshaftes Vogelgezwitscher
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