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Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Andrej Djakow
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hätte er Angst vor den eigenen Gefühlen bekommen.
    Und überhaupt: Stiefsohn – wie das schon klingt. Ein Wort wie ein Peitschenhieb, das dich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert. Zurück in eine Welt voller Wehmut und Einsamkeit. Wenn du in dieser Welt deine Familie verloren hat, kannst du dir nicht einfach eine neue stricken. Du kannst dir höchstens ein Wolkenkuckucksheim bauen, ein paar erdachte Bewohner hineinsetzen, ein bisschen Familie spielen und es wieder sein lassen, wenn es langweilig wird …
    Gleb sah auf. Aurora saß ihm gegenüber. Sie erwiderte seinen Blick, schaute teilnahmsvoll und deutete ein Lächeln an. Ihre Lippen waren blass. Vermutlich fror sie. Doch anstatt etwas zu sagen, biss sie lieber die Zähne zusammen. Bestimmt, weil sie auch allein war und keine richtige Familie hatte.
    Der Junge sprang von der Bank, trottete zum Kleiderkoffer, fischte eine einigermaßen unversehrte Wolldecke heraus und legte sie der Frierenden um die schmalen Schultern. Aurora nickte dankbar. Ihr schüchternes Lächeln wurde breiter.
    »Mach dir keine Gedanken«, flüsterte sie, nachdem Gleb sich neben sie gesetzt hatte. »Das renkt sich schon wieder ein. Du wirst sehen.«
    Eine Erwiderung wäre wohl angebracht gewesen, wenigstens aus Höflichkeit. Doch Gleb fiel nichts Vernünftiges ein. Seine Stimmung war völlig im Keller.
    Die stockende Unterhaltung erledigte sich kurz darauf von selbst. Zum wiederholten Mal an diesem Tag blieb der Lkw stehen, und aus dem Lautsprecher der Kommunikationsanlage tönte Migalytschs Geplapper.
    »Zeit für eine Pause, Leute! Mir hängt der Magen schon in den Kniekehlen. Der Kombüsendienst soll sich ein bisschen sputen.«
    Hinter einer Trennwand in der Ecke kam Gennadi hervor. Er hielt einen großen Schöpflöffel in der Hand, grinste geheimniskrämerisch und verschwand wieder in der Kochnische.
    Doch das Mahl lief nicht so harmonisch ab, wie der alte Mechaniker sich das vorgestellt hatte. Nachdem die Mannschaft aus sämtlichen Winkeln des riesigen Trucks herbeigeeilt war, stellte sich eine bedrückende Enge in der Kajüte ein. Die grimmige Miene des Söldners machte die Stimmung auch nicht besser. An Essen war vorerst nicht zu denken.
    »Bei euch haben sich sicher viele Fragen angestaut«, fiel Taran gleich mit der Tür ins Haus. »Jetzt könnt ihr sie stellen.«
    Der Söldner schaute zwar niemanden an, aber es war auch so klar, wem diese Aufforderung in erster Linie galt. Doch der Junge schmollte und schwieg. Entweder war ihm schon alles egal, oder seine Kränkung und Enttäuschung waren stärker als seine Neugier.
    Glebs Zurückhaltung schien sich auch auf die anderen zu übertragen. Niemand konnte sich aufraffen, ein offenes Wort an den Kommandeur der Expedition zu richten.
    Schließlich fasste sich der Heide ein Herz. Er knetete nachdenklich sein Kinn, räusperte sich und spuckte energisch unter den Tisch.
    »Wenn ich das richtig sehe, ist uns der Rückweg in die Metro jetzt verbaut, nicht wahr?«
    »Wie kommst du darauf? Den Veganern ist es einerlei, wer ihr seid und woher ihr kommt. Und die Allianzler haben meines Wissens auch keinen Röntgenblick, mit dem sie durch Stahlplatten hindurchgucken können. Sie haben nur den Lkw und mich gesehen … Und wahrscheinlich noch Gleb«, ergänzte der Söldner nach kurzem Zögern. »Alle anderen sollten keine Probleme bekommen.«
    »Warum hast du sie getötet?!«, platzte es aus dem Jungen heraus. In seinen Augen loderte Feuer.
    Taran riss den Kopf herum, als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst. Doch er fing sich rasch und starrte wieder die Tischplatte an.
    »Du hast alles mitbekommen, Gleb. Sie oder wir, nur darum ging es.« In der Stimme des Söldners klang tiefes Bedauern durch, obwohl er sich Mühe gab, es zu überspielen. »Ich hatte bis zuletzt geglaubt, dass Schugai uns durchlässt.«
    »Und deshalb bist du wie immer mit dem Kopf durch die Wand.«
    »Er hatte einen klaren Befehl. Wahrscheinlich hätte es nichts gebracht, auf ihn einzureden.«
    »Wahrscheinlich?«, echote der Junge. »Das bedeutet, dass es durchaus eine Chance gab, die Sache friedlich zu regeln.«
    »Oder einfach die ganze Expedition auf bessere Zeiten zu verschieben«, warf der Heide ein. »Der Junge hat recht.«
    Nun war es Taran, der schwieg. Die Sekunden dehnten sich zu einer Ewigkeit. Doch der Anführer zögerte.
    »Worüber hast du mit Terentjew gesprochen?«, mischte sich Sitting Bull ein. »Dieses Gespräch war doch der eigentliche
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