Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
und ich trug meinen Namen ein.
    »Was ist das überhaupt für ein Name? Shah? Bist du Perser, oder was?«
    »Pakistani.«
    Er grummelte. Er schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob er mich verstanden hatte. Daraufhin neigte er den Kopf und musterte mich. Ich bemerkte das dünne silberne Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trug. »Hasst ihr auch die Amerikaner?«, fragte er.
    »Nein.«
    Er starrte mich weiter an, schließlich nickte er. »Gut«, sagte er zufrieden. Damit drehte er sich um und ging zum olivgrünen Wagen, der mit laufendem Motor in unserer Einfahrt stand.
    Am Küchentisch riss Mutter den Umschlag auf. »Minas Telegramm!«, rief sie erfreut.
    »Was ist das, Mom?«
    »Ein Brief, der telegrafisch übermittelt wird. Von einem Amt zum anderen. Von der einen Erdhalbkugel zur anderen, Behta . Als ich klein war, Hayat, wurden Nachrichten nach Übersee immer mit dem Telegramm geschickt. Heute hat man das Telefon, das ist einfacher. Aber in Pakistan ist das Telegramm immer noch hundertmal billiger als ein Telefonat.« Sie las es. »Sie hat ein Ticket gekauft.«
    »Was schreibt sie?«
    KOMME NACH AMERIKA STOPP ANKUNFT 13. MAI CHICAGO STOPP BRITISH AIRWAYS
    Sie reichte mir das hauchdünne Blatt. Alles war in Großbuchstaben gedruckt, sogar das Wort »Stopp«.
    »Warum steht hier ›Stopp‹?«
    »Satzzeichen würden mehr kosten«, sagte Mutter und nahm das Telegramm wieder an sich. Dann sah sie mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Schicken wir ihr eines zurück!«, sagte sie.
    »Wo?«
    »Bei Western Union.«
    So machten wir uns auf den Weg. Mutter und ich gingen zur Mall, traten dort an den Schalter und füllten das Formular für das zu versendende Telegramm aus. Würde die Nachricht aus zehn oder weniger Wörtern bestehen, kostete es nur sechs Dollar. Jedes Wort darüber wurde mit siebzig Cent abgerechnet. Es war mir schleierhaft, wie Mutter überhaupt auf zehn Wörter kommen sollte, schließlich wollte sie doch nur mitteilen, dass Minas Telegramm angekommen war.
    TELEGRAMM ERHALTEN STOPP SEHR AUFGEREGT STOPP INSCHALLAH
    Mutter sah mich an. »Was meinst du?«
    Klang für mich okay.
    Während Mutter am Schalter zahlte, entdeckte ich den Boten mit dem Fleck im Gesicht; er kam aus dem hinteren Raum, und unsere Blicke trafen sich.
    Er nickte. Ich nickte ebenfalls.
    Wie angekündigt kam Mina im Mai. Auf dem Weg zum Flughafen blieben wir im Stau stecken, so dass wir erst eintrafen, als das Flugzeug schon zur Landung ansetzte. Mutter war außer sich. Vater hielt an, und Mutter zerrte mich vom Rücksitz. Wir rannten zum Schalter der Fluggesellschaft, um uns nach dem Flug zu erkundigen, während Vater den Wagen parkte. Als der Angestellte verkündete, die Maschine sei bereits gelandet, stieß Mutter einen spitzen Schrei aus. Wir stürmten durch das Terminal zu Minas Gate. Doch als wir dort ankamen, war die Lounge leer. Zwei Stewardessen standen am Schalter. Mutter trat zu ihnen. In diesem Augenblick fiel mir eine Frau auf, die vor der Glasscheibe zum nächsten Gate stand. Sie war klein und drückte ein großes schlafendes Kind an sich, dessen Arme wie die Enden einer Stola zu beiden Seiten herunterbaumelten. Als Mutter zurückkehrte, deutete ich auf sie. »Ist sie das?«
    »Miinnaa!«, rief Mutter voller Freude.
    Mina drehte sich zu uns um, und ich staunte. Sie war genauso schön wie auf dem Foto, aber es war noch etwas an ihr: Selbstvertrauen, eine große Anziehungskraft.
    Sie lächelte, und ich war hin und weg.
    » Bhaj , ich habe mich schon gefragt, ob ich in der falschen Stadt gelandet bin!«
    Mutter lachte, ihre Augen wurden feucht. Sie fasste Mina an den Schultern und sah sie eindringlich an. Minas selbstbewusstes Lächeln geriet ins Wanken, auch ihre Augen füllten sich mit Tränen. Die beiden Frauen umarmten sich. Minas Sohn, der zwischen ihnen klemmte, rührte sich und stöhnte.
    Schniefend löste sich Mutter und nahm Mina den Jungen ab. »Hallo, mein Kleiner …«, gurrte sie. »Willkommen in Amerika.«
    Imran legte den Kopf auf Mutters Schulter und schlief wieder ein.
    Lächelnd trocknete sich Mina die Augen. »Er mag dich, Bhaj !«
    »Alle mögen mich.«
    »Bilde dir bloß nicht zu viel darauf ein!«
    Sie lachten. Mina wandte sich an mich und rief entzückt aus: »Das ist also Hayat! Wie hübsch er ist. Wie ein Filmstar!«
    Mutter rollte mit den Augen. »Und genauso verzogen …«
    »Du wirst den Mädchen die Herzen brechen, was, Behta ?« Sie sah mich unverwandt an. Und wieder war ich überrascht von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher