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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz
Autoren: Christiane Tramitz
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noch das erste Haus des Ortes, dann brach Cilli zusammen.
    In diesem Moment führte der Traum Oswin zurück auf die Erde. Als er erwachte, war der Himmel wieder weit entfernt. Und direkt über Fuchsbichl blies der Wind zwei kleine zarte Schafswölkchen vor sich her. Sie sahen aus wie Zwillinge. Gleich groß, gleich geformt, gleich wild, wirbelten sie munter durch die Lüfte.
    Am nächsten Abend trat Robert in Oswins Stube, mit einer Flasche Schnaps unter dem Arm. »Oswin«, setzte er an, doch bevor er weitersprechen konnte, hatte ihn der Alte schon auf den Stuhl gezogen. »Setz dich nieder, junger Vater«, sagte er, »lass uns anstoßen, dass Gott ein Erbarmen hatte, dass er sie g’schickt hat, die Kinder.« Er zwickte Robert in den Arm. »Sag, sind’s zwei Mädel oder zwei Buben?«
    Cilli hatte in der Tat zwei gesunde Kinder auf die Welt gebracht, zwei Mädchen, die sich bis aufs Haar glichen. Fast zumindest, die Erstgeborene hatte sich bei ihrer Geburt schwergetan und trug deshalb an der Schläfe eine kleine Narbe, die entstanden war, als der Doktor mit der Zange etwas nachhelfen musste.
    Zwillinge! So etwas hatte es in Fuchsbichl noch nie gegeben.
     
    Cilli, die Taube und Stumme, verschloss ihre Mutmaßung über die Ereignisse jenes Schützenfesttages im Herzen. Denn man hätte ihr ohnehin nicht geglaubt.
     
    In der Mitte des Weilers befand sich der Gemeinschaftsbackofen des Ortes. Er sah aus wie ein steinerner Hügel mit einem eisernen Türchen. Unten war die Feuerstelle, oben ragte ein schwarzer Kamin empor. Die Bauern buken zweimal im Jahr – eine ganze Woche lang. Wenn der Morgen graute, kamen sie aus allen Häusern, auf ihren Rücken trugen sie schwere Säcke mit grob gemahlener Gerste, Roggen und Hafer. Sie mischten das Getreide mit Wasser, würzten es mit Kümmel, Anis und Fenchel, die Frauen schoben die Ärmel ihrer Kleider nach oben und versanken bis zu den Ellbogen in den Backtrögen. Mit ihren kräftigen Armen rührten sie den Teig so lange, bis er zäh wurde. Dann formten sie handtellergroße Fladen und ließen sie ruhen. Am Vortag schon hatten die Männer den Ofen eingeheizt, nun schoben sie den gegangenen Teig auf einem großen Holzlöffel in die glühende Hitze.
    In diesen Wochen war Fuchsbichl eingehüllt in einen zarten Rauch, der köstlich nach frischem Brot roch.
     
    Im nächsten Haus wohnten der Fender Hans, seine Frau Elfriede und ihr Sohn Karl. Neben dem Wohngebäude sah man das schwarze Fundament eines ehemaligen Stalles, den Karl aus Versehen abgefackelt hatte, als er seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Zündeln, nachgegangen war.
    Die Feuersbrunst hatte alles verzehrt, was die junge Familie besaß, denn außer den Feuerpatschern und Besen, die die herbeieilenden Bauern mitgebracht hatten, konnte man ihr nichts entgegensetzen, zu sehr waren die Feuerwaale eingefroren. Die gierigen Flammen züngelten noch in den Morgenhimmel, in ihnen verbrannten brüllend, quiekend und gackernd drei Kühe, ein Zugochse, zwei Schweine, 14 Hennen und ihr Gockel, das Winterheu, Streu, Gerste sowie das Stallgebäude selbst.
    Am nächsten Morgen, als alles in Schutt und Asche stand, rußende Nebelschwaden und beißender Gestank verbrannten Fleisches durch Fuchsbichl zogen, sah die taubstumme Cilli durchs Küchenfenster, wie Karl aus dem Haus gerannt kam, die Hosen in den Kniekehlen. Der kleine Junge lief geduckt und schwankend, sein Kopf war voller Blut. Hinter ihm tobte der Fendervater, mit einem Prügel in der Hand. Und als das Kind fast bei Cillis Haustür angelangt war, beeilte sie sich und drehte den Schlüssel im Schloss. Misch dich nie in anderer Leut’s Leben, das musst mir hoch und heilig versprechen, hatte Robert ihr vor der Heirat auf einen Zettel geschrieben, und mit klarer Schrift hatte die Taubstumme geantwortet: Ich werd’s befolgen – und schwör’s auf die Heilige Maria.
    Cilli bekreuzigte sich: Mein Gott, flüsterte ihr Herz, der Bub ist doch erst vier Jahr alt. Vergib dem Jungen, vergib seinem Vater und vergib mir.
    Doch Gott tat es nicht, und fast ein jeder Fuchsbichler hatte in der Kirche schon einmal gebetet: Himmel, hol den Bub zu dir, da hat er’s besser.
    Fortan verdingte sich Hans als Knecht und seine Frau als Magd bei einem Großbauern im Tal. Sohn Karl schickten sie den Sommer über mit einem Ruckkorb in die Felsen, wo er in schwindelnder Höhe die feinen Gräser zu rupfen hatte, denn die waren die besten, die das Vieh der reicheren Bauern zu fressen bekommen konnte. Und
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