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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz
Autoren: Christiane Tramitz
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Cilli legte den Arm um sie, und Fertl sprach zärtlich. »Ja, Agnes, hast recht, heut ist sein Geburtstag.«
    »So soll’s denn sein«, meinte auch Karl leise. »Aber nun zu dir, Kraxnerbauer.«
    Er trat dicht an den Sarg und zog den Hut. »Ich will dich net stören in deinem Totenschlaf, aber es gibt an gerechten Gottesboten, der mich des hat finden lassen.« Karl holte aus seiner Jackentasche den Silbertaler und legte ihn dem Toten auf die Brust. »Niemals sollst vergessen, welch schwere Sünd auf dich g’laden hast!«
    Er wandte sich den überraschten Trauergästen zu. »Ja, a schwere Sünd, aber Gott hat bestimmt, dass er net a so davonkimmt. Rechtzeitig hat’s Schicksal sich so g’fügt. Setzt’s euch her, ich sag euch, was g’schehn ist.«
    Und so saßen sie um den Stubentisch herum, im fahlen Licht von Urbans Totenkerze und lauschten entsetzt Karls Geschichte vom grausigen Fund droben am Tremplerhof.
    »Es hat so kemma müssn«, murmelte Fertl. Doch behielt er weise für sich, was er noch alles wusste.
    »Der arme Bub, das grauenvolle Schicksal, der Tremplerhof, die Geister«, tuschelten die anderen Fuchsbichler beklommen durcheinander, während sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    Nur Agnes lächelte. »Vater«, wisperte sie dem Toten zu. »Jetzt ist Zeit zum Abschied nehmen. Jetzt holt dich der schwarze Engel. Ich hab ihn schon seit Langem g’sehn, wie er auf dich wart.« Sie legte ihren Zeigefinger auf seinen dünnen Mund. »Psst, nix sagen, denn du kannst nix mehr richten, in dem Leben. Zu spät, der Herrgott hat’s g’richt und den Leibhaftigen g’schickt. Er wart schon lang auf dich. Vater, hörst ihn? Siehst ihn?« Da durchfuhr etwas wie heißer Odem die Stube und ließ das Totenlicht erlöschen.
    Des Kraxners Seele, dachten die Fuchsbichler mit Schaudern, und ihre Hände zitterten vor Entsetzen und Fassungslosigkeit, vor Wut und Abscheu, als sie den Sargdeckel über den Entseelten senkten.
     
    Doch war es nicht die Seele, sondern die Zeit, die sich über all jene senkte, die sie brauchten. Dort trat sie ihre lange, schwere Arbeit an. Sie setzte sich in die Herzen, um – ganz allmählich – Trauer, Verzweiflung, Wunden und kranke Seelen zu heilen, um böse Gedanken zu löschen, schlimme Träume in schöne zu wandeln, und um alte Wege zu sperren, damit neue begangen werden können.
    Ja, sie bedeutete eine wundervolle Zeit. Für alle, für Isabel, Luis und Lea, für Agnes und Fertl und für die vielen anderen, die in dieser Zeit zugegen waren.
    Und als sie schließlich zurückkehrte, hoch hinauf, auf den Himmelsspitz, peitschten heftige Winde durch die Wälder des Himmelsspitz. Die Raben fegten wie schwarze Pfeile durch die Lüfte. »Wie schön, wie schön«, riefen sie. Die alte Fichte wog sich im Sturm und breitete ihre Äste aus. Willkommen, willkommen. »Sie ist zurück, zurück«, krächzte der Hennengeier und klapperte mit dem Schnabel. Der Bär funkelte mit seinen Augen. »Endlich, endlich«, brummte er.
    »Wird Zeit, kommt essen, das Mus wird sonst kalt«, klangen fröhliche Stimmen aus der Stube.
    Da hob sich der Deckel im dunklen Flur des Tremplerhofs. Leicht wie eine Feder.
    Und aus dem schwarzen Loch unter ihm strömte das helle Leuchten der Erinnerung an all das, was einst begonnen hatte, droben am Himmelsspitz.

Quellennachweis
    S. 10, S. 54: Clemens Brentano ›Geheime Liebe‹
    S. 28, S. 71, S. 196: Franz v. Löher ›Eine Gemsjagd‹, entnommen aus: Deutsch und Österreichischer Alpenverein: Band XIII. Verlag des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 1891 Wien.
    S. 51: Granstein Echo ›Genau ins Herz‹
    S. 64/65: Max Dauthendey ›Du und ich‹
    S. 104: Martin Greif ›Reise in die Berge‹, , entnommen aus: Deutsch und Österreichischer Alpenverein: Band XIII. Verlag des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 1891 Wien.
    S. 180/191: Tiroler Gedicht

 

     
    Dorothea Böhme

Sauhaxn
    E-Book: 978-3-8392-3976-6 / Buch: 978-3-8392-1328-5
     
    »Dorothea Böhme stürzt ihren Helden von einer Misere in die nächste. Große Unterhaltung ganz im Zeichen des schwarzen Humors!«
     
    Johann Mühlbauer ist Kochlehrling in Lendnitz, einem idyllischen Dorf in Kärnten. Sein Leben könnte viel einfacher sein, wenn er nur ein bisschen so wäre wie sein großes Vorbild Bruce Willis. Doch leider meint es das Schicksal nicht gut mit ihm. Johann stolpert über Leichen wie andere über Steine. Erst findet er seinen enthaupteten Chef, dann folgt eine Leiche auf die andere.
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