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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern
Autoren: Jennifer Benkau
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Olivier schlug ihm ohne Vorwarnung die Faust in den Magen, sodass Marlon mit dem Rücken gegen die Wand knallte. »Verlogener Bastard! Ich dresche dir deine Unverschämtheiten aus dem Leib!«
    Ich erstarrte, wollte ihn aufhalten, doch meine Gedanken waren vor Schreck wie betäubt.
    Olivier ging auf Marlon los, ließ die Fäuste auf seinen Körper niederprasseln. Marlon wehrte sich nicht. Er kassierte Treffer in den Bauch und auf die angeschlagene Rippenpartie und schützte nur mit fest angespannten Unterarmen und hocherhobenen Scherben in den Fäusten sein Gesicht. Er kämpfte – auf seine Art.
    Ich hörte mich aufschreien, als Oliviers Hand zur Waffe schnellte. Mein Kopf war leer, mein Körper übernahm die Kontrolle. Ich griff nach der Glasscherbe am Boden, nahm Schwung und hackte sie Olivier in den Handrücken. Einen Wimpernschlag lang starrte ich auf meine lächerliche Waffe und all das Blut, das an ihr vorbeilief. Es glitzerte feucht und dunkel auf dem Glas. In Rinnsalen troff es auf den Estrich. Ein scharfer Schmerz in meinem Zeigefinger deutete darauf hin, dass ein wenig davon mein eigenes war.
    Â»Glaub ihm!«, stieß ich hervor. »Wir können es beweisen. Hör ihm zu!«
    Noa, lauf! , hörte ich Marlon von allen Seiten in meinem Kopf rufen. Doch da fegte mich schon ein Schlag vor die Schläfe von den Füßen.
    Ich stürzte gegen die Wand, rutschte zu Boden und blieb einen Augenblick benommen liegen. In meinem linken Ohr pfiff es wie ein Teekessel. Vor meinen Augen drehten sich rote Spiralen und wurden zu pulsierenden Klecksen. Ich schüttelte den Kopf, umfasste ihn mit beiden Händen, weil ich glaubte, ansonsten ohnmächtig zu werden. Als mein Blick wieder klarer wurde, sah ich, wie Olivier Marlon an der Kehle packte und seinen Hinterkopf mit brachialer Gewalt gegen die Wand schlug. Ich glaubte, Knochen knirschen zu hören. Mit verdrehten Augen sackte Marlon in sich zusammen. Olivier zerrte ihn wieder in die Aufrechte.
    Â»Ich bin noch nicht mit dir fertig, Bastard!«
    Ich versuchte auf die Füße zu kommen, knickte weg und fiel neben Olivier auf die Knie. Ich wimmerte wirre Satzfragmente hervor. »Glaub uns … Hör uns an … eine Sekunde!« Die Worte mussten da sein, aber ich hörte mich selbst nicht.
    Olivier zog die Pistole. Mein Verstand verlor sich in Panik. Ich kippte in abgehackten Bewegungen vor und zurück und stammelte ein Lied, ohne zu wissen, warum. Mein Körper tat instinktiv irgendetwas, was sich meiner Kontrolle entzog. Mit zugepressten Augen wartete ich auf den Knall. Der nicht kam.
    Stattdessen spürte ich Berührungen an den Schultern, am Haar, im Gesicht. Jemand zog an mir, ich kippte gegen einen Körper, roch nackte Haut, Blut, Schweiß und einen Hauch von Zimt. Marlon hielt mich an sich gepresst und ich wagte aufzusehen.
    Olivier stand einige Schritte entfernt, die Waffe nach wie vor auf uns gerichtet. Ich starrte in ihr schwarzes Auge. Es schien zu zwinkern. Ich brauchte einen Augenblick, bis ich den Grund verstand. Seine Hand zitterte. Millimeter für Millimeter tastete mein Blick an der Waffe und dann seinen Arm entlang, bis ich sein Gesicht erkannte. Meine Sicht war verschwommen, aber ich gewann den Eindruck, dass sich in seiner Miene etwas verändert hatte. Da waren plötzlich Zweifel. Die erkannte ich, denn sie waren mir vertraut.
    Er wandte sich ab, ging zur Tür und klopfte. Die Frau öffnete ihm und er nickte mir zu. »Du solltest jetzt gehen, Mädchen.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Es war keine Geste der Aufopferung, kein Heldentum und keine Tapferkeit. Es war nichts als pure Angst. Ohne Marlon, so viel war klar, würde ich es nicht einmal bis zur Tür schaffen. An das Leben da draußen, wenn er zurückblieb, wollte ich gar nicht denken.
    Â»Noa.« Mein Name klang aus Marlons Mund wie ein Stöhnen tief aus seiner Kehle. »Geh!«
    Ich sah zwischen ihm und Olivier hin und her. Da war zu viel Eis in Oliviers Augen. Marlons waren leer. Ein dünnes Blutrinnsal lief aus seinem Mundwinkel, die Tropfen fielen ihm vom Kinn auf die Brust.
    Â»Nein.«
    Â»Mädchen! Deine letzte Chance!«
    Â»Noa, geh! Bitte, geh! Verschwinde!« Marlons Worte ersoffen in seinem Mund, wurden zu hastigem Gestammel, das ich kaum mehr verstand. »Er hat recht. Ich liebe dich nicht, das habe ich nie. Ich habe dich nur benutzt. Du bist mir nichts schuldig. Du
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