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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel
Autoren: M Zagha
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richtete sie ihre ausdruckslosen dunklen Augen auf Isabelle. »Na, was sagt man dazu. Da gibt’s nichts zu wollen, fürchte ich. Du wirst wohl reinkommen müssen.«
    Als Isabelle ihr mit einigem Zögern ins Haus folgte, sagte die junge Frau: »Die Hausnummern sind total komisch, und die Straße macht ständig irgendwelche Biegungen, wo man’s nicht erwartet. Aber du hast uns ja gefunden. Ich bin übrigens Jules. Du bist bestimmt la belle Isabelle.«
    »Oh, du sprichst Französisch?« Genau genommen hatte Isabelle vorgehabt, während ihres Londonaufenthaltes ihr Englisch zu verbessern, aber das würde alles so viel leichter machen, besonders am ersten Tag.
    Die Frau namens Jules musterte sie streng durch ihre Stirnfransen
hindurch. »Ganz bestimmt nicht. Wie kommst du denn darauf?«
    Sie blickte auf Isabelles Köfferchen hinunter. »Wo ist der Rest von deinen Sachen?«
    »Das ist mein ganzes Gepäck.«
    »Echt? Mann, Daze könnte echt was von dir lernen.« Sie hob Isabelles Koffer auf und ging voran, trampelte mit ihren schweren Stiefeln die Treppe hinauf.
    Während sie allmählich die Tatsache verdaute, dass Jules kein Junge, sondern ein Mädchen war, schickte Isabelle sich an, ihr zu folgen. »Chrissie wohnt im Erdgeschoss«, erklärte Jules. »Ich bin im ersten Stock, und du bist im zweiten, in Dazes Zimmer.« Als sie den zweiten Stock erreichten, stieß Jules eine Tür zur Rechten auf.
    »Hier. Das Bad ist gegenüber. Na dann.« Und sie stampfte die Treppe wieder hinunter. Die Katze Raven war ebenfalls verschwunden.
    Isabelle warf einen ersten Blick in Daisys Schlafzimmer und taumelte zurück. Dort drin schien es kein freies Fleckchen auf dem Fußboden zu geben. Stattdessen war dieser von einem knöcheltiefen Teppich aus ineinanderverschlungenen Kleidungsstücken bedeckt. Und von Schuhen: ein Meer aus Schuhen in allen Regenbogenfarben. An der gegenüberliegenden Wand, die in grellem Pink gestrichen war, hingen zahlreiche Hüte und Handtaschen. Isabelle fragte sich, wo Daisy wohl ihre Bücher aufbewahrte. Alles, was sie sehen konnte, waren Hunderte von Modezeitschriften, die gefährlich hoch aufgestapelt waren und aussahen, als könnten sie jeden Moment umkippen. Isabelle blinzelte. Ganz kurz dachte sie an ihr schlichtes weißes Schlafzimmer in Paris mit dem einsamen Matisse-Poster, so karg wie eine Mönchszelle.
    Zumindest gab es in diesem Zimmer auch ein Bett, stellte sie einigermaßen erleichtert fest. Sie watete hinüber, schob Kleiderhaufen
zur Seite, um Platz zu schaffen, und setzte sich. Ein Paar rote Stöckelschuhe lagen auf dem Kopfkissen, wie die Schlüssel einer Stadt, die einem ausländischen Würdenträger präsentiert wurden. Oh, das war zu viel! Wie sollte sie dieses völlig inakzeptable Zimmer beziehen?
    Nachdem sie sich die Hände gewaschen, ihren Pferdeschwanz neu festgezurrt und den Pullover gerade gerückt hatte, der um ihre Schultern hing, machte sie sich auf die Suche nach Jules und fand sie in der Küche im Untergeschoss, wo sie an einem großen runden Kiefernholztisch saß. Der Raum war blassgelb gestrichen und beherbergte einen großen, cremeweißen Kühlschrank und eine altmodische Anrichte mit einer Riesenmenge Geschirr darin, darunter etliche Teekannen von unterschiedlicher Größe und Gestalt. Um den Tisch herum standen mehrere Stühle, die nicht zusammenpassten. Hinter Jules befand sich das Spülbecken (das anscheinend voll schmutzigem Geschirr war, wie Isabelle missbilligend bemerkte) und darüber ein Fenster, das auf den sonnenhellen Garten hinausging. Jules las in einem Buch, das an einer Teekanne lehnte, und aß einen Keks. Sie blickte kurz auf.
    »Alles klar? Alles eingeräumt und so?«
    »Ja, heu, nein. Als Daisy abgereist ist... hätte sie wohl fast den Zug verpasst, oder?«
    »Wie meinst du das?«
    »Sie hatte keine Zeit, ihre Kleider einzupacken.«
    »Oh nein, sie hat massenweise Klamotten mitgenommen. Das macht sie immer so, anders geht’s bei ihr nicht.«
    Isabelle dachte an ihre eigene, präzise Methode, ihren Koffer anhand einer Liste zu packen und sich dabei gnadenlos auf ein paar erprobte und bewährte Kombinationen zu beschränken. Alle Teile aus ihrem kleinen Kleiderschrank passten grundsätzlich zusammen. Ein erschreckendes Bild tauchte vor ihrem geistigen Auge
auf, von einer übergeschnappten Daisy, die Isabelles Wohnung mit Kleiderhaufen vollstopfte, sogar das Badezimmer, vielleicht sogar den Kühlschrank...
    »Möchtest du Tee oder sonst
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