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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels
Autoren: David Lama
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Schlüsselstelle der Timofeev-Route, vierte Seillänge ab Boden. David tanzt. Aber diesmal nicht mit dem Fels, sondern rein aus Freude. Sein Schatten ist von uns aus zu sehen, während sich dunkle Regenwolken über die Bergkämme schieben und erste Tropfen auf uns herunterfallen.«
    Am nächsten Tag waren Stef und Giovanni mit dem Vorsteigen dran, am Tag darauf wieder Nina und ich. Wir arbeiteten uns langsam, aber konsequent nach oben. Es war schwierig – Robert verglich das Klettern in dieser Wand mit einem Weg, der senkrecht eine Staumauer hinaufführt –, und er hatte wohl recht. Wer keine Kraft in den Fingern hat, muss sich eben technisch hinaufarbeiten.
    Das Wetter war von Anfang an super, aber jetzt bekamen wir ein Problem. Tagsüber wurde es zu heiß, die Luft stieg auf, es bildeten sich Wolken, die sich nachmittags entluden, wir mussten also sehr früh zu klettern beginnen. Am 3. August schafften wir schließlich den Gipfel. Ich war in den letzten Tagen so viel vorgestiegen, dass ich mich nur noch hinten anstellte, die anderen sollten auch ihren Spaß haben. Als vierter in der Reihe hinter Giovanni, Nina und Stef schleppte ich zum Teil drei Rucksäcke hinauf. Aber auch das machte jetzt Spaß.
    200 Meter vor dem Gipfel, nach sieben Stunden VollgasKletterei, warteten alle zusammen. Das Gelände wurde plötzlich leicht, wir konnten ungesichert zum Gipfel weitergehen. Damit hatten wir, wie Robert später sagte, die schwierigste alpine Freikletterlinie in ganz Kirgistan eröffnet. Um zwei Uhr nachmittags standen wir auf dem 4230 Meter hohen Gipfel. Zwei Stunden später waren wir pudelnass. Das tägliche Gewitter hatte uns beim Abseilen eingeholt.
    Im Basecamp mischte unser Koch aus reinem Alkohol und Wasser so etwas wie Wodka. Zum Essen gab es Schaf. Während die anderen darüber nachdachten, was sie morgen klettern würden, rief mich die Pflicht. Ich musste nach Barcelona, dort fand am Wochenende der nächste Weltcup statt.
    Am nächsten Morgen marschierte ich durch das Schwarzwassertal hinaus, zehn Stunden Richtung Woruch. Dort würde mich der Bus abholen und zum Flughafen bringen. Ich sah Bauern, die ihre Aprikosen in großen Kreisen auf dem Boden zum Trocknen auflegten. Ich sah Soldaten mit automatischen Waffen, die mich grüßten. Ich sah eine berückend schöne Landschaft, ich sah Gipfel, auf denen Lorenz Saladin vielleicht gestanden hatte, und ich ging weiter, und ich war glücklich. Es war der 4. August, mein Geburtstag. Heute wurde ich 19 Jahre alt.

Vierundzwanzig
    Ich jammere selten, aber es war nach der genialen Kletterei in Kirgistan eine Tortur, nach Barcelona zu reisen. Ich kam nach tagelanger Reise völlig gerädert in Spanien an, hatte einen enormen Trainingsrückstand und stank im Wettkampf völlig ab. Ich wusste nicht, worüber ich mich mehr ärgern sollte. Über den blamablen 27. Platz oder über die Entscheidung, überhaupt nach Spanien gefahren zu sein.
    Als ich zu Hause war, vertiefte ich mich zum Trost sofort wieder in die Vorbereitung meines nächsten Projekts. Ich hatte entschieden, dass ich wieder nach Patagonien wollte, diesmal auf der argentinischen Seite.
    Das Projekt hieß Cerro Torre. Ich musste mir die Fotos von diesem Berg nur anschauen, und in meinem Nacken stellten sich die Haare auf.
    Das war’s. Dort musste ich hin. Diesen Berg musste ich sehen, riechen, schmecken, fühlen.
    Ich checkte das Internet nach Informationen über den Torre. Ich scannte Zeitschriften, besorgte mir Bücher. Ein Buch hieß Schrei aus Stein . Das war der Titel eines Films, den der deutsche Regisseur Werner Herzog gemacht hatte. Das Buch beschäftigte sich mit der spannenden alpinistischen Geschichte des Torre. Geschrieben hatte das Buch Reinhold Messner. Das traf sich gut, denn ich war mit Reinhold auf dessen Burg Sigmundskron in Südtirol zu einem Gespräch verabredet.
    Ein herrlicher Herbsttag, wir saßen in der warmen Septembersonne und redeten. Reinhold hatte gerade seinen 65. Geburtstag gefeiert. Großes Fest. Er war gut informiert über meine Karriere. Er kannte meine Erfolge in der Halle, aber er wusste auch alles über unsere Tour an der Sagwand, und er wollte tausend Sachen wissen. Was ich vorhabe. Was für Projekte ich vorbereite.
    Reinhold hat mit seinem »Messner Mountain Museum« das größte Museum des Alpinismus ins Leben gerufen. Der Alpinismus ist sein Leben. Ich merkte gut, wie elementar ihn die Veränderungen interessierten, die wir, die neue Generation von Kletterern, gerade in
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