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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt
Autoren: Alexandra Potter
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Rippen, Fraktur der linken Schulter -«
    Das erklärt auch die Schmerzen, denke ich und bewege instinktiv die Schulter ein wenig, was mit einem stechenden Schmerz quittiert wird.
    »… eine durchstoßene Lunge«, fährt Bea fort und zählt meine Blessuren an den Fingern ab, »eine Schnittwunde an der linken Schläfe, die mit 12 Stichen genäht werden musste.«
    Automatisch hebe ich die Hand und spüre einen Verband unter meinen Fingern. Die Stelle fühlt sich wund an.
    »In den letzten beiden Tagen hast du abwechselnd das Bewusstsein erlangt und wieder verloren. Im Moment bekommst du Morphium.«
    »Zwei Tage?« Entsetzt starre ich sie an.
    »Ich sitze seit 48 Stunden ununterbrochen hier«, erklärt sie.
    Dankbar lächle ich.
    »Du hattest Riesenglück, Charlotte.«
    Ich versuche die Nachrichten zu verdauen: zwei Tage Bewusstlosigkeit, ein Frontalzusammenstoß mit einem LKW, Knochenbrüche, ich hätte tot sein können … Meine Augen füllen sich mit Tränen, und ohne Vorwarnung fange ich an zu weinen.
    »Meine Güte, Liebes, hier, nimm das Taschentuch«, beschwichtigt Beatrice. »Das ist der Schock.«
    Ich nicke wortlos und putze mir mit meiner gesunden Hand die Nase. »Tut mir leid, ich bin so ein Waschlappen.«
    »Du bist eine alberne Gans, das ist alles«, tadelt Bea sanft. »Ich an deiner Stelle würde mir wahrscheinlich die Augen ausheulen. Ich meine, du könntest tot sein oder so verunstaltet, dass du eine dieser Transplantationsoperationen brauchst, von denen ich im New Scientist gelesen habe.« Der Anblick meiner Miene lässt sie innehalten. »Nicht dass du eine Gesichtstransplantation bräuchtest«, wiegelt sie eilig ab.
    »Ich verstehe nicht …« Ich schüttle den Kopf und versuche, mich durch den Nebel meiner Erinnerung zu kämpfen. Larry Goldsteins Presseveranstaltung, der Moment, als ich Ollys Adresse fand, die wilde Fahrt zu meinem alten Zuhause, die Kreuzung, Julian.
    »Laut Polizei warst du in verkehrter Fahrtrichtung auf einer Einbahnstraße unterwegs.«
    Ich halte inne und starre sie ungläubig an. »Wie bitte? Aber das ist doch nicht …«
    »Offenbar war das Schild von Ästen verdeckt. Ich habe bereits eine Beschwerde bei der Stadtverwaltung eingereicht. Das ist ja völliger Wahnsinn!«
    Ich spüre, wie mich Zweifel überfallen. Ihre Erklärung ergibt zwar keinen Sinn, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke - die Autos waren allesamt in derselben Richtung geparkt, und ich habe niemals ein anderes Fahrzeug auf der Straßenseite bemerkt, außer …
    »Nein, das kann nicht sein«, erkläre ich mit neu entfachter Gewissheit. »Ich habe mich selber -« Ich halte eilig inne. »Ich meine, ich habe ein Mädchen in einem alten VW Käfer die Straße entlangfahren sehen.«
    Beatrice mustert mich mitfühlend. »Vielleicht bringst du ja etwas durcheinander. Das ist eine der Nebenwirkungen von Morphium, besonders in der Dosierung, wie du sie bekommst.« Sie zeigt auf den intravenösen Tropf, an dem ich hänge. »Da bildet man sich allerhand ein.«
    In einem Punkt hat sie allerdings Recht. Ich bin völlig durcheinander.
    »Es ist ein ziemlich heftiges Zeug. Ich habe mich in Cambridge damit beschäftigt«, fährt sie fort.
    »Ich dachte, du hast Mathematik und Physik studiert.«
    »Habe ich auch, aber aus Spaß habe ich auch Chemie belegt«, erklärt sie strahlend.
    Ungläubig starre ich sie an. Ja, ich habe richtig gehört. Es liegt nicht am Morphium.
    »Morphium ist das Haupt-Alkaloid von Opium«, fährt sie unbeschwert fort, »und wie andere Opiate wirkt es unmittelbar auf das zentrale Nervensystem ein und lindert somit die Schmerzen. Und eine der Nebenwirkungen können wirre und sehr lebhafte Träume sein. Das Wort Morphin ist von Morpheus, dem griechischen Gott des Traums, abgeleitet.«
    »Wie bitte? Du willst damit sagen, ich hätte all das nur geträumt?«
    »Das meiste wahrscheinlich.« Sie nickt mit sachlicher  Miene. »Du hast alle möglichen Dinge im Schlaf gemurmelt. Etwas von Lottie … Olly … ein Club … Tanzen.« Sie lacht auf. »Das war der Augenblick, als ich gewusst habe, dass du träumst. Ich meine, du? In einem Club? Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber wann hat eine von uns das letzte Mal in einem Club so richtig abgetanzt?«
    Jetzt, wo ich darüber nachdenke, klingt es tatsächlich völlig unrealistisch.
    Erschöpft schließe ich die Augen. Nachdem ich gerade erst das Bewusstsein wiedererlangt habe, ist alles noch ein bisschen viel für mich, und ich fühle mich, als drohe mein
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