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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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»He, ich weiß nicht. Vielleicht, um sich nicht schmutzig zu machen?«
    Er schont mich. Aber das kann ich nicht leiden. »Ich weiß genau, was du denkst! Du denkst, Mädchen trauen sich nicht!«
    »Jjjja … Manche aber schon. Du, zum Beispiel?«
    »Ich will dir mal was sagen«, zische ich. »Mein Vater und meine Mutter haben sich beim Freeclimbing kennengelernt. Mein Vater wollte Stuntman werden!« Das wird ihm den Mund stopfen. Ich lehne mich zufrieden zurück.
    »Mensch, du hast es gut!« Bonni seufzt tief. »Solche Eltern möchte ich auch haben! Wir müssen unsere Touren zu Hause verheimlichen und unsere Klamotten bei Shelley waschen, der hat eine eigene Bude. Du solltest nach einer Höhlentour mal in seine Badewanne gucken - dicke braune Tunke bis oben.«
    Ich denke an die Sachen im Schuppen und grinse.
    »Nie dürften meine Leute wissen, was wir hier treiben. Wir kommen schon schmutzig genug nach Hause, die Unterwäsche und alles; aber wenn sie die Overalls und Schuhe und Helme sehen würden - sie kriegten auf der Stelle die Krise.«
    »Meine Mutter nicht«, sage ich überzeugt. Sie schenkt mir schließlich zu jedem Geburtstag und zu Weihnachten irgendein Sportgerät. Inlineskates, Skier, Rennrad, Mountainbike - ich habe schon eine beachtliche Sammlung, neuwertig …
    »Vor zwei Wochen waren wir in einer wahnsinnig guten Höhle«, erzählt Bonni jetzt.
    »Habt ihr das schon oft gemacht?«
    »Klar«, meint er wegwerfend.
    »Ich wusste gar nicht, dass es so viele Höhlen gibt.«
    »Fast keiner weiß das mit den Höhlen«, sagt Bonni. »Man kennt ein paar Schauhöhlen und das war’s dann schon. Aber ich denke mir«, er kommt aus seiner Ecke hervor und wird ziemlich lebhaft, »dass die ganze Gegend hier irgendwie untergraben und durchlöchert ist. Nur gibt es nicht viele Eingänge. Die sind versteckt oder verschüttet oder zu klein, behauptet Ecke. Was man kennt, das ist die Teufelshöhle. Und in der Schwäbischen Alb die Bärenhöhle. Und natürlich die gigantischen Tropfsteinhöhlen in Südfrankreich.Warst du da schon mal?«
    »Nein. Ich musste meine Oma anpumpen, um diesen Ausflug bezahlen zu können.«
    »Oh … Es sind sowieso nur Schauhöhlen«, sagt Bonni schnell. »Die Schönsteinhöhle vor zwei Wochen, das ist eine Superhöhle, die hätten wir heute gern weitererforscht, aber sie ist jetzt geschlossen.«
    »Wieso?«
    »Wegen der Fledermäuse«, sagt er mit einem seltsamen Unterton in der Stimme.
    »Ja, logisch«, stimme ich zu.
    Er reckt überrascht den Kopf. »Warum sagst du nicht: Igitt, Fledermäuse? Oder fragst nicht, ob man die Eingänge zumacht, damit sie nicht hineinkönnen?«
    »Hältst du mich für blöd, Bonni? Fledermäuse überwintern in solchen Quartieren. Man darf sie nicht stören.«
    Beeindrucktes Schweigen.
    Sanft fahre ich fort: »Ich nehme an, man verschließt die Eingänge mit Gittern?«
    »Genau.«
    »In unseren gemäßigten Breiten sind die Fledermäuse auf solche Winterquartiere angewiesen!«
    »Ja.« Bonni antwortet auf einmal ziemlich einsilbig.
    »Weißt du, warum sie auf solche Winterquartiere angewiesen sind?«, frage ich lauernd.
    »Weil sie … schlafen wollen?« Wütend fügt er hinzu: »Gemäßigte Breiten, Winterquartiere - du redest ja wie mein Biologiebuch!«
    »Ich will Biologie studieren«, sage ich kühl. »Mein Vater wollte außer Stuntman auch Biologe werden. Und die Fledermäuse sind in unseren gemäßigten Breiten auf solche Winterquartiere angewiesen, weil sie im Winter nichts zu fressen finden, sie müssen schlafen …«
    »Was fressen sie eigentlich?«, unterbricht er mich. Ein Schauer geht über seinen Körper und er zieht die Jacke enger zusammen.
    »Insekten und Früchte. Die Fledermäuse fressen sich im Herbst platzvoll und verbrauchen während des Schlafes langsam diesen Vorrat. Die Temperatur im Quartier muss niedrig sein, sonst geht der Stoffwechsel zu schnell vor sich und der Vorratsspeck verbraucht sich zu rasch. Aber zu niedrig darf die Temperatur auch nicht sein, sonst erfrieren die Tiere.«
    »In den Höhlen hat es immer so vier bis acht Grad«, sagt Bonni bereitwillig.
    Aha, er lenkt ein und will mir zeigen, dass er mein Wissen anerkennt. Das wollen wir doch mal ganz schnell und für immer befestigen. »Sehr wichtig ist auch die Außenfeuchtigkeit. Obwohl die Fledermäuse im Winterschlaf langsam atmen, verdunsten sie dabei doch Feuchtigkeit. Bevor sie riskieren zu vertrocknen, suchen sie sich eben möglichst feuchte Höhlen.«
    Kein Ton von Bonni.
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