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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche
Autoren: Narcia Kensing
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Atemzügen vibrierte das Plek trum tatsächlich, und es setzte sich im Zeitlupentempo in Bewegung. Amelie versuchte, in Jariks Gesicht einen Hinweis zu finden, dass er dahinter steckte, doch er starrte kreidebleich auf das Witchboard und bewegte keinen Muskel. Sara und Marie wirkten ebenso blass. Amelie überkam der Impuls, augenblicklich den Finger wegzuziehen, doch sie schaffte es nicht. Es war, als klebte er auf dem Holz fest.
    Die Spitze wanderte langsam, aber zielstrebig auf den Buchstaben B zu. Amelie beobachtete im Auge nwinkel, wie Ida und Anna sich argwöhnisch näherten und über Maries Schulter hinweg auf das Brett sahen.
    »Gibt's da etwa was Interessantes zu sehen?« Thore stemmte sich mit einem Ächzen auf die Beine.
    »Schsch!«, zischte Sara ihn an.
    Das Plektrum ließ sich durch die Ruhestörung nicht beeinflussen. Es schrieb das Wort Berg , bevor es auf das Zeichen für ein Wortende wanderte.
    »Was hat das denn zu bedeuten?« Jarik zog die Stirn kraus, ließ seinen Finger aber an Ort und Stelle ruhen. Amelie fragte sich, ob alle anderen auch Schwierigkeiten damit hatten, ihre Hand vom Holz zu lösen.
    »Keine Ahnung. Berg? Welcher Berg?« Saras Wa ngen waren vor Eifer gerötet, und ihre Augen leuchteten glasig, als hätte sie Fieber.
    »Das ergibt keinen Sinn. Ich denke, wir sollten die Séance für beendet erklären«, sagte Marie. »We r von euch auch immer nachts vom Mount Everest träumt, sollte seine seltsamen Fantasien besser für sich behalten.«
    »Seht, das Plektrum bewegt sich schon wieder!« Ida schnappte geräuschvoll nach Luft. Sie hatte recht. Es zi tterte kaum merklich, bevor es erneut dazu ansetzte, ein Wort zu bilden. Amelie wollte den Unfug nun unbedingt beenden, aber noch immer ließ sich ihr Finger nicht vom Holz lösen. Angst stieg in ihr auf, sie hörte das Blut rhythmisch in ihren Ohren rauschen. Sara stieß sogar einen unartikulierten Schrei aus.
    »Hört auf! Egal, wer von euch das tut!«
    Schneller als zuvor beschrieb das Holz nun das Wort Tod, und direkt im Anschluss gelang es Amelie endlich, die Hand wegzuziehen. Alle Beteiligten rutschten so weit zurück, wie es ihnen Wände und Möbelstücke erlaubten. Sie starrten auf das Brett, als handelte es sich dabei um etwas Giftiges. Doch das Plektrum blieb still, nichts bewegte sich mehr. Amelie sprang auf und regelte das Licht wieder hoch.
    »Seid ihr eigentlich verrückt?«, fragte Mikael in verä rgertem Tonfall, als seine Freundin sich ihm um den Hals warf und ihr Gesicht in seinem Pullover vergrub. »Ihr seid doch keine Kinder mehr! Habt ihr getrunken? Amelie, ich dachte in den Flaschen sei nur Cola gewesen.«
    Thore lachte unverhohlen. »So sind die Weiber, fürc hten sich vor sich selbst. Jarik, du hast ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt.«
    Doch Jarik sagte nichts, er nickte nicht einmal. Ihm war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen, und Amelie beschlich das Gefühl, dass er nichts mit der gei sterhaften Bewegung zu tun hatte.
    »Berg und Tod. Seltsam.« Marie war die erste, die den Schock überwand und sich wieder entspannt in den Schneidersitz setzte. »Ich denke, ich werde nie erfahren, was das zu bedeuten hatte. Und ich gehe auch nicht d avon aus, dass es mir der Verursacher verraten wird,
oder?« Sie ließ ihren Blick in die Runde schweifen.
    »Selbst, wenn keiner von euch absichtlich etwas b ewegt hat, ist es mit Sicherheit ein unbewusster Reflex gewesen. Man kennt doch mittlerweise die Funktionsweise dieser Dinger.« Mikael schob seine verstörte Freundin sanft, aber bestimmt von seinem Schoß herunter. »Und du, hör auf zu heulen. Das ist lächerlich!«
    Sara funkelte ihren Freund böse an, beruhigte sich
aber. Sie setzte sich zurück auf den Angelhocker. »Pack das unsägliche Ding weg, Amelie. Ich will es nie wieder sehen.«
    Amelie hätte am liebsten gesagt, dass es ihr genauso ging, doch sie wollte Maries Geschenk nicht verschm ähen. Immerhin handelte es sich um eine Antiquität.
    »Ich schiebe es erst einmal beiseite.« Mit zittrigen Knien erhob sie sich und bugsierte das Witchboard mit dem Fuß unter das Bett. Ihr Blick glitt flüchtig über das Poster der Mona Lisa am Kopfende, und beinahe hätte sie geschrien. Die hübsche Unbekannte auf dem Portrait grinste. Sie grinste , und das, obwohl sie für gewöhnlich milde lächelte. Amelie hielt in der Bewegung inne und fühlte sich außerstande, sich zu rühren.
    »Aha, eine Seherin.« Jetzt sprach die Dame auch noch, aber seltsamerweise mit
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