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Herz des Winters (German Edition)

Herz des Winters (German Edition)

Titel: Herz des Winters (German Edition)
Autoren: Madeleine Puljic
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Stöhnen richtig gedeutet hatte. Dieser und weitere Träume von den Jahren in den Minen hatten sie in den vergangenen sechs Jahren immer wieder gequält und waren nur langsam abgeklungen. Es war wenig verwunderlich, dass sie nach den jüngsten Ereignissen wieder jede Nacht kamen.
    Sie verschränkte die Arme unter dem Kopf, sah zum sternenklaren Himmel auf und wartete auf den Morgen. Erholsamen Schlaf würde sie in dieser Nacht nicht mehr finden.
    ***
    Der Winter war ihnen in den Süden gefolgt, konnte dem durch warme Strömungen bestimmten Klima der Küste jedoch wenig anhaben. So mancher Händler hätte wohl ein wenig Eis herbeigesehnt, denn der angebotene Fisch roch oftmals nicht besonders appetitanregend. Seltsamerweise schien das die Einheimischen nicht im Geringsten zu stören, sie kauften und feilschten, als gäbe es sonst nichts auf der Welt.
    Daena war gerade dabei, den Fang eines bärtigen Fischers zu begutachten, um zu entscheiden, welches der merkwürdigen Wesen auf seinem Tisch am essbarsten aussah, als jemand ihren Namen rief. Erschrocken wandte sie sich um, die Menge mit geübtem Blick durchsuchend, und fand auch rasch den Rufer.
    Mit einem breiten Lächeln im Gesicht drängte Sikaîl seine massige Gestalt auf sie zu und missachtete dabei die unwirschen Bemerkungen derjenigen, die dadurch zur Seite gestoßen wurden. Daenas Blick glitt unwillkürlich über seine zur Schau gestellten Muskeln, die vom Schweiß nur noch weiter betont wurden. Die glatte, leicht grünliche Haut und das blaue Haar verrieten sein nixisches Erbe, das in Saris weit verbreitet war. Die warmen braunen Augen hätten dazu einen Kontrast bilden müssen, taten es aber nicht. Stattdessen weckte sein Anblick einmal mehr den Wunsch, sich in diesen Armen zu verlieren und der Grund für die Wärme seiner Augen zu sein.
    Beschämt sehnte sie sich nach der Kapuze ihres Mantels, um die aufsteigende Röte in ihrem Gesicht, vor allem aber ihre Narben zu verbergen. Doch dank der angenehmen Temperaturen war ihr Umhang ein fest verschnürtes Paket auf ihrem Rücken.
    Mit wenigen seiner weit ausgreifenden Schritte war Sikaîl heran, schnappte Daena und hob sie auf seine Augenhöhe – was Daenas Füße einen halben Meter über der Erde baumeln ließ. Ungeniert drückte er ihr einen brüderlichen Kuss auf die zerfurchte Wange, ehe er sie wieder absetzte.
    „Wo hast du dich denn all die Jahre herumgetrieben? Ich habe gar nichts von dir gehört ...“
    Daena fühlte, wie die Röte in ihrem Gesicht noch ein wenig zunahm, und bemühte sich darum, seinem Blick standzuhalten und möglichst gelassen zu klingen: „Ich wette, über deine Heldentaten werden genug Geschichten an der Akademie erzählt.“
    Zum Glück verstand Sikaîl den Wink und ließ das Thema mit einem Achselzucken auf sich beruhen.
    „Auf der Suche nach einem Abendessen?“, fragte er mit einer Kopfbewegung Richtung Fischstand.
    „Sozusagen … Allerdings glaube ich, ich bevorzuge heute vegetarische Kost.“
    Sikaîl überflog das Angebot auf den nächsten Ständen und nickte verständnisvoll. Er legte Daena einen Arm um die Schulter und zog sie mit sich Richtung Ortsmitte.
    „Dann, meine Liebe, betrachte dich als zum Essen eingeladen. Sozusagen als Feier unseres Wiedersehens.“
    Daena sah dankbar zu ihm auf und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Sikaîl war rund drei Jahre älter als sie – so genau notierte sich niemand, wann Kinder geboren wurden, man merkte sich meist nur die Jahreszeit – und hatte sich an der Akademie bereits vorangekämpft, als sie aufgenommen worden war.
    Mädchen waren zwar von den Kämpfern nicht ausgeschlossen, allerdings entschieden sich nicht besonders viele Eltern für diesen Weg. Wer sein Kind durchfüttern konnte, ließ es zu Hause, und wer nicht, gab es in die Hände einer Akademie oder anderen Einrichtung. Möglichst eine, die Ruhm und Geld für die Familie versprach, was für die meisten Mädchen entweder Priesterschaft oder eine Lehre in der Stoffgilde bedeutete.
    Als Ausnahme dieser Tradition war man ihr natürlich immer mit einer gewissen Skepsis begegnet. Daher war Daena froh gewesen, als Sikaîl sich ihrer damals angenommen hatte. Viele Verbündete hatte sie in der Akademie nicht gekannt, er dagegen hatte sie trotz seiner eigenen geachteten Position wie eine kleine Schwester behandelt.
    Diese würde sie wohl auch immer für ihn bleiben. Nach allem, was sie wusste, konnten genauso gut Frau und Kinder in seinem Haus auf sie
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