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Herz aus Eis

Herz aus Eis

Titel: Herz aus Eis
Autoren: Jane Porter
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Ruhephasen.
    „Wir können uns weiter unterhalten, während Sie essen.“ Wieder fasste sie nach den Griffen und wollte ihn auf die Terrasse hinausschieben, wieder bremste er mit den Händen die Räder.
    „Ich will nicht geschoben werden.“
    Elizabeth trat zurück und schaute auf ihn hinunter. Zum ersten Mal sah sie die lange Narbe, die sich von seinem Ellbogenbis hin zum Handgelenk zog. Ein mehrfacher Bruch, dachte sie, nur einer von vielen. Nach menschlichem Ermessen hätte er den Unfall niemals überleben können. Aber er hatte überlebt. Und deshalb würde sie auch nicht zulassen, dass er hier in seiner Villa saß und sich aufgab.
    „Kurze Distanzen schaffe ich aus eigener Kraft.“
    „Es ist nicht so anstrengend wie Laufen, nicht wahr?“ Wenn er sich selbst mit dem Stuhl fortbewegen konnte, wenn er laufen konnte … warum tat er es dann nicht? Ornio – stur. Die Schwestern hatten mit ihren Berichten nicht übertrieben. Er war stur wie ein Esel.
    Kristian schnaubte. „Ist das Ihre Vorstellung von Aufmunterung?“
    Sie presste die Lippen zusammen. Kristian wusste, wie er beide seiner Rollen ausnutzen konnte – die des Angreifers und die des Opfers. Schlimmer noch, er versuchte, sie zu provozieren. Aber Elizabeth hatte sich geschworen, dass ihr niemand mehr zu nahe kommen würde. Nie wieder. „Ich stelle lediglich eine Tatsache fest, Mr. Koumantaros. Sie sind auf den Rollstuhl angewiesen, weil Ihre Muskeln nach dem Unfall verkümmert sind. Die Ärzte gingen davon aus, dass Sie längst wieder laufen können.“ Dass Sie laufen wollen, setzte sie in Gedanken hinzu.
    „Es ergab sich aber nicht.“
    „Warum? Weil die Schmerzen zu groß sind?“
    „Weil die Therapie nichts nützt.“
    „Nein. Weil Sie aufgegeben haben.“ Sie fasste die Griffe und versetzte dem Stuhl einen kräftigen Schubs. „Also, wie sieht es nun aus mit Ihrem späten Lunch?“
    Er ließ die Räder nicht los. „Wie sieht es aus damit, dass Sie mir erst sagen, wer Sie bezahlt?“
    Ein Teil von ihr bewunderte ihn. Er war ganz sicher ein autoritärer Mensch und daran gewöhnt, die Kontrolle über die Situation zu behalten. Aber das war sie auch. „Das darf ich Ihnen nicht sagen. Nicht, bevor Sie nicht wieder laufen.“
    Er wandte ihr das Gesicht zu, auch wenn er sie nicht sehenkonnte. „Also könnten Sie es mir sagen.“
    „Erst wenn Sie laufen.“
    „Warum nicht vorher?“
    Sie zuckte nur die Schultern. „Das ist eine der Vertragsbedingungen.“
    „Sie kennen die Person?“
    „Wir haben miteinander telefoniert.“
    Er hüllte sich in Schweigen, seine Miene änderte sich, so als würde er nachdenken. „Wie lange wird es dauern, bis ich wieder laufe?“
    „Das hängt von Ihnen ab. Sehnen und Muskeln haben sich zusammengezogen und verkürzt, doch mit der entsprechenden ausdauernden Therapie lässt sich das beheben.“
    „Aber selbst mit Therapie werde ich immer eine Gehhilfe benutzen müssen.“
    Sie hörte die Verbitterung, ging aber nicht darauf ein. „Eine Gehhilfe oder einen Stock, ja. Ist das nicht besser als ein Rollstuhl?“
    „Es wird nie wieder so sein wie vorher …“
    „Alle Menschen müssen jeden Tag mit Veränderungen fertig werden, Mr. Koumantaros.“
    „Seien Sie nicht so herablassend“, er sprach leise, gepresst, voller Rage.
    „Das bin ich nicht, ich versuche zu verstehen. Ist es, weil die anderen gestorben sind und Sie …“
    „Kein Wort mehr!“, knurrte er. „Kein einziges Wort!“
    „Mr. Koumantaros, Sie sind kein wertloser Mensch, weil die anderen gestorben sind und Sie nicht.“
    „Dann verstehen Sie nicht das Geringste. Der beste Teil von mir, das Gute, ist an jenem Tag auf dem Berg gestorben. Als ich jemanden rettete, den ich nicht einmal mag.“ Er lachte voller Selbstverachtung. „Ich bin kein Held, ich bin ein Monster.“ Abrupt riss er sich den Verband vom Kopf und rollte zurück, sodass die Sonne auf sein Gesicht fiel. „Sehen Sie das Monster?“
    Elizabeth schnappte unhörbar nach Luft. Die Mittelmeersonnemachte eine lange Narbe auf der rechten Gesichtshälfte sichtbar, die gefährlich nahe unter dem rechten Auge endete. Noch war diese Narbe hellrosa, doch eines Tages würde sie verblassen und kaum zu sehen sein.
    Doch die Narbe war nicht der Grund, warum Elizabeth ihn nur anstarren konnte. War auch nicht die Ursache für den jähen Druck auf ihrer Brust und das zärtliche Gefühl, das ihr den Atem raubte.
    Kristian Koumantaros war ein schöner Mann. Ein faszinierend schöner Mann.
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