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Herz aus Eis

Herz aus Eis

Titel: Herz aus Eis
Autoren: Jane Porter
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nicht laufen oder sehen, aber sein Verstand arbeitete ohne Probleme.
    Sie musterte ihn nüchtern. Elizabeth wusste um die Umstände seines Unfalls, kannte seine gesamte Krankengeschichte, war über die langen Monate der Rehamaßnahmen informiert. Er konnte von Glück sagen, dass er überlebt hatte. Sein Gehirn hatte glücklicherweise keinen organischen Schaden davongetragen, die motorischen Fähigkeiten würde er zurückgewinnen. Fraglich war, ob er wieder würde sehen können. Diese Frage würde sich nur mit der Zeit und nachweiterer Therapie beantworten lassen.
    „Nun, das ist jetzt alles vorbei“, sie gab sich Mühe, heiter zu klingen. „Die Schlachtschiffe sind weitergezogen. Dafür bin ich ja jetzt hier.“
    „Sie sind wahrscheinlich die Schlimmste von allen.“
    „Richtig. Hinter meinem Rücken flüstert man, ich sei der Albtraum eines jeden Patienten.“
    Brütend saß er da, ohne ein Wort zu sagen. Elizabeth konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Sie würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen. Sie wusste Bescheid über griechische Tycoons. Sie war einst mit einem verheiratet gewesen.
    „Fangen wir also an“, sagte sie bestimmt. „Als Erstes mit Ihren Mahlzeiten. Ich weiß, es ist schon spät, aber … haben Sie heute überhaupt zu Mittag gegessen?“
    „Ich habe keinen Hunger.“
    Elizabeth klappte die Aktenmappe zu. „Ihr Körper braucht Nahrung für den Genesungsprozess. Ich werde Ihnen ein leichtes Mahl zurechtmachen.“
    „Ich will nichts essen.“
    „Nein, natürlich nicht. Warum Nahrung zu sich nehmen, wenn Sie bereits abhängig von den Schmerztabletten sind, nicht wahr?“ Sie würde sich nicht auf unnütze Diskussionen einlassen. „Wenn Sie mich dann entschuldigen … Ich kümmere mich um Ihr Essen.“
    Die Küche lag im Turm, im pyrgos . Hausdiener, Köchin und Haushälterin saßen in angeregtem Gespräch beisammen. Sobald Elizabeth eintrat, verstummte die Unterhaltung. Drei Gesichter mit feindseligen Mienen drehten sich zu ihr hin.
    Was Elizabeth nicht weiter verwunderte. Erstens war sie keine Griechin und sprach die Sprache dennoch fließend, und zweitens zeigte sie dem reichen und mächtigen Dienstherrn nicht den gebührenden Respekt.
    „Hallo“, grüßte sie nun. „Ich wollte etwas zu essen für Mr. Koumantaros zusammenstellen.“
    Jeder starrte sie nur an. Pano war der Erste, der sich räusperte. „Der kyrios isst um diese Zeit noch nicht.“
    „Also hat er wohl gut gefrühstückt?“
    „Nein, nur Kaffee.“
    „Und wann isst er seine erste Mahlzeit?“
    „Nicht vor dem Abend.“
    „Ich verstehe.“ Sie fragte sich, wie lange die drei wohl schon für Kristian Koumantaros arbeiten mochten und wie sie mit seiner düsteren Laune fertig wurden. „Isst er dann gut?“
    „Manchmal.“ Die rundliche Köchin wischte sich die Hände an der Schürze ab. „Früher, vor dem Unfall, da hat er tüchtig zugelangt, doch jetzt …“
    Elizabeth nickte. „Wir werden uns bemühen, dass er wieder Appetit bekommt. Am besten fangen wir mit einem leichten Mahl an, vielleicht ein horiatiki salata. “ Auch bekannt als Griechischer Salat mit Fetakäse, Tomaten, Gurken und Zwiebeln, nur mit etwas Zitrone und Olivenöl beträufelt. „Irgendwo draußen muss es doch ein Plätzchen geben, eine sonnige Terrasse vielleicht, wo er sitzen und sein Essen genießen kann. Mr. Koumantaros braucht Sonne und frische Luft.“
    „Die Sonne schmerzt dem kyrios in den Augen“, ließ Pano sie wissen.
    „Weil Mr. Koumantaros schon viel zu lange im Dunkeln sitzt. Licht wird ihm guttun, es stimuliert die Drüsenfunktionen, wirkt gegen Depression und fördert den Heilungsprozess. Da er allerdings so lange im Haus war, bleiben wir wohl erst einmal im Schatten.“
    „Sicher, Ma’am“, stimmte die Köchin zu. „Aber Mr. Koumantaros wird nicht hinausgehen.“
    „Oh doch, das wird er.“ Elizabeth schluckte unauffällig. Leicht würde es allerdings nicht werden.
    Kristian hörte die Schritte. Die englische Krankenschwester kam also wieder zurück.
    Na wunderbar.
    Er lauschte, hob den Kopf und schaute in die Richtung der Geräusche, ohne etwas zu sehen. Denn seit vierzehn Monaten und elf Tagen lebte er in absoluter Dunkelheit. Seit dem Absturz.
    Sie bewegte sich jetzt nicht mehr, und er fühlte sie dort stehen. Ohne dass er sie sehen konnte, ohne dass er sie erreichen konnte. Sie stand nur da. Starrte ihn an. Wartete. Es ärgerte ihn maßlos, die Situation nicht einschätzen zu können. Was er
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