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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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Labskaus? Da zu diesem Rezept Fleisch gehört, müssen Sie mit dieser Konserve vorliebnehmen. Ich bin gespannt, wie weit Ihre Sympathie fürs Norddeutsche geht. Aber ich kann Ihnen versichern: Es schmeckt besser, als es aussieht!
     
    PPS . Ich habe keinen Speicher und auch keinen Keller und auch keinen Abstellraum und schon gar keine modrig duftenden Kisten mit Liebesbriefen darin. Ich bin mehr der puristische Typ, der sämtliche Altlasten (wie der Name schon sagt) genauso zügig entsorgt wie kackbraunes Altglas.
    ***
    22.–23. August 2010
    23.02 Uhr – 02.34 Uhr
     
    Liebe Sara Becker,
     
    hier ist wieder Berti Huber. Sie wissen Bescheid? Ich bin der, der Ihre Flaschenpost gegen den Kopf bekommen hat und jetzt mit Ihnen in regem Briefkontakt steht. Was einmal mehr zeigt, dass man Frauen durch das einfache Schreiben eines Briefes ganz leicht Sand in die Augen streuen kann, selbst wenn man (wie ich) tatsächlich keinerlei Sinn für Ästhetik und Sentimentalität hat.
    Huch, habe ich mich da jetzt verraten? Nein? Dann werde ich einfach mal über Ihre offensichtlich nicht ganz so guten Erfahrungen mit meinen Geschlechtskollegen hinweggehen und weiterschreiben. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja: Ich habe mich schon immer gefragt, ob es dieses PPS nach dem PS wirklich gibt oder ob sich das mal irgendein Scherzbold ausgedacht hat. Aber da ich Sie als gewissenhaft einschätze, nehme ich an, dass es dieses PPS wirklich gibt. Nur, was soll es heißen? Post Postskriptum? Also Postskriptum nach dem Postskriptum? Wäre logisch.
    Vielleicht ist es aber auch wieder so ein leiser norddeutscher Humor, den ich nicht verstehe, wie der in Ihrem letzten Brief. Mit feiner Ironie habe ich es nämlich nicht so, ich bin eher der direkte Typ, der, der Ihnen beim Lachen auf die Schulter haut, statt verschmitzt zu zwinkern.
    Es ist übrigens nicht so, dass ich auf diesen Schulterklopfer-Wesenszug stolz bin. Manchmal würde ich sogar behaupten, das Gegenteil ist der Fall: Ich würde sogar sagen, ich hasse mich, wenn ich so bin. Trotzdem kommt es manchmal über mich, so als ob ein Wesen von einem anderen Planeten plötzlich in meinem Körper Platz nimmt und ich zu einem grellen, lauten, Sprüche klopfenden Monster werde. Dann haue ich einen Kalauer nach dem anderen heraus, und alle starren mich an oder schauen betreten zur Seite. Ich fühle mich dann einerseits unwohl und andrerseits angestachelt weiterzumachen. Und während ich also Witze von zweifelhafter Art reiße, frage ich mich: Wer ist dieser Mann, der da gerade so im Mittelpunkt steht? Bist du das, Berti? Und wenn ja: Hör sofort auf! Es ist peinlich!
    Natürlich gelingt mir das Aufhören dann nicht, denn ich bin ja gerade so schön in Fahrt! Also mache ich weiter.
    Erst am nächsten Tag ist mir das Ganze so peinlich, dass ich wünschte, ich könnte im Erdboden verschwinden, müsste nie wieder hinaus in die Welt und mit den Menschen zusammentreffen, mit denen ich am Vortag zusammen war.
    Doch das eigentlich Kuriose ist: Den meisten Menschen scheinen meine Clowns-Vorstellungen zu gefallen. Man könnte sogar meinen, ich bin nach solchen Darbietungen in der Gunst meiner Bekannten gestiegen. Und das mit einem Wesenszug, den ich selbst an mir hasse! Ist das nicht irgendwie krank? Schizophren?
    Die Leute rufen bei mir an und finden, dass es ein toller Abend war. Ich hasse diese Situationen, denn fast immer lösen sie Ereignisse aus, die mich noch monatelang begleiten.
    Sie fragen sich, was das für Ereignisse sind?
    Also, da ist zum Beispiel diese Sache mit meiner Nachbarin Petzi (eigentlich heißt sie Petra, aber alle nennen sie Petzi). Bei Petzi, die ein Stockwerk unter mir wohnt, hatte ich monatelang das Gefühl, die Frau mag mich nicht. Sie guckte mich immer mit so einem arroganten Blick an, der mir suggerierte, was für ein Loser ich doch sei. Ich lächelte jedes Mal freundlich, machte einen krampfhaft witzigen Kommentar und hätte mich anschließend dafür ohrfeigen können.
    Eines Tages lief diese Petzi jedenfalls mit ihrem komisch federnden Gang und dem arrogant gehobenen Kopf, ihrer viel zu engen Jeans und den unmöglichen Rockabilly-Schuhen an dem Straßencafé vorbei, in dem ich gerade einige Bekannte auf beste Manier unterhielt. Also winkte ich ihr zu, und sie setzte sich zu uns. Es war aus einer Laune heraus, ich wollte die Dame wohl ein bisschen ärgern. Aber ich wusste gleich, dass ich mit Petzi kein Gesprächsthema finden würde, und habe daher ausschließlich Sprüche
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