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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt
Autoren: Jules Verne
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verblaßte allmählich, und das Land umher mußte in kurzer Zeit wieder in tiefer Finsternis liegen.
    Die lärmende Menge der Geflohenen war inzwischen auf einer gegen jede Gefahr voraussichtlich geschützten Stelle zum Stillstand gekommen. Schließlich kehrten manche davon zurück, und noch vor dem ersten Tagesgrauen hatten diese sich wieder in verschiedene Dörfer und Einzelgehöfte hineingewagt.
    Noch gegen vier Uhr färbten sich die Ränder des Great-Eyry schwach mit einem fahlen Scheine. Die Feuersbrunst erlosch, wahrscheinlich aus Mangel an weiterer Nahrung, und obwohl es noch immer unmöglich war, ihre Ursache zu erkennen, durfte man doch hoffen, daß sie nicht noch einmal aufflackern werde.
    Jedenfalls ließ sich annehmen, daß der Great-Eyry nicht der Schauplatz vulkanischer Vorgänge gewesen war. Es schien also nicht so, als ob die Bewohner der Umgebung durch ihn von einem verderblichen Ausbruch oder einem Erdbeben bedroht wären.
    Da vernahm man gegen fünf Uhr, als der Kamm des Gebirges noch in nächtliches Dunkel gehüllt war, über diesem ein seltsames Rauschen, eine Art regelmäßiges Keuchen, das von mächtigen Flügelschlägen begleitet war. Und wenn es schon Tag gewesen wäre, hätten die Insassen der Farmen und der Dörfer einen riesigen Raubvogel, ein Ungeheuer des Luftmeers, vorüberschweben sehen können, der, nachdem er sich über den Great-Eyry erhoben hatte, in der Richtung nach Osten verschwand.
Zweites Kapitel.
In Morganton
    Am 26. April war ich von Washington abgefahren und traf am nächsten Tage in Raleigh, der Hauptstadt von Nordkarolina, ein.
    Zwei Tage vorher hatte mich der Generaldirektor der Polizei nach seinem Amtszimmer rufen lassen. Mein Vorgesetzter erwartete mich da mit sichtlicher Ungeduld. Dann hatte ich mit ihm folgendes Gespräch, das die Veranlassung zu meiner Abreise wurde.
    »John Strock, begann er, sind Sie noch immer der findige und eifrige Mann, der uns bisher Beweise von diesen Eigenschaften geliefert hat?
    – Herr Ward, antwortete ich mit einer Verbeugung, es steht mir nicht zu, Ihnen zu versichern, daß ich von meiner Findigkeit, wie Sie sagen, nichts verloren habe, was aber meinen Eifer betrifft, darf ich wohl erklären, daß dieser noch ganz derselbe geblieben ist…
    – Ja ja, ich glaube Ihnen, sagte Herr Ward, und ich richte an Sie auch nur noch die eingeschränktere Frage: Sind Sie noch immer der alte, der begierig ist, jedes Geheimnis zu enthüllen, wie ich Sie von früher her kenne?
    – Noch immer, Herr Ward…
    – Und dieser Forschungseifer hat keine Abschwächung erlitten dadurch, daß Sie ihn so häufig betätigt haben?
    – Ich glaube, in keiner Weise.
    – Nun denn, Strock, so hören Sie mich an!«
    Der Polizeidirektor war jener Zeit fünfzig Jahre alt, im Besitz aller seiner geistigen Fähigkeiten und sehr gewandt in den wichtigen Aufgaben, die sein Amt ihm auferlegte. Wiederholt hatte er mich mit schwierigen Missionen betraut, die ich zur Zufriedenheit ausgeführt hatte, selbst mit solchen, die die Politik berührten, und ich hatte mich dabei immer seiner vollen Anerkennung zu erfreuen. Seit einigen Monaten war jetzt keine Gelegenheit gewesen, meine Dienste in Anspruch zu nehmen, und diese unfreiwillige Muße wurde mir schon recht lästig. Ich erwartete also mit einiger Ungeduld, was Herr Ward mir mit zuteilen haben würde, zweifelte aber nicht, daß es sich um eine ernsthafte Sache handelte, wenn er mich deswegen ins Feld schicken wollte.
    Und da handelte es sich denn um eine Angelegenheit, die zur Zeit die öffentliche Aufmerksamkeit nicht allein in Nordkarolina und dessen Nachbarstaaten, sondern auch in ganz Amerika lebhaft beschäftigte.
    »Es kann Ihnen nicht unbekannt geblieben sein, begann er, was sich in einem gewissen Gebiete der Appalachen in der Nähe des Fleckens Morganton zugetragen hat?
     

    »Ich empfehle Ihnen, die größte Vorsicht zu bewahren.« (S. 20.)
     
    – Natürlich nicht, Herr Direktor; und diese mindestens seltsamen Vorkommnisse sind meiner Ansicht nach gewiß geeignet, auch die Neugier anderer, als eines Menschen wie ich zu erregen.
    – Daß sie seltsam, ja höchst merkwürdig sind, ist ja nicht zu bezweifeln. Es drängt sich dabei aber die Frage auf, ob die betreffenden, am Great-Eyry beobachteten Erscheinungen nicht eine Gefahr für die Bewohner jenes Landesteils in sich bergen, ob sie nicht darauf hindeuten, daß dort ein vulkanischer Ausbruch oder eine heftige Erderschütterung zu befürchten sei…
    – Ja
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