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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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bat sie Gott um Vergebung und betete aufrichtig. Ich war bei ihr.«
    »Es ist so lange her, Andres, so sehr lange her.«
    »Es waren gute Zeiten damals, als wir zusammen waren.«
    »Das waren sie. Ohne Scham sage ich dir, daß ich große Freude an deinem Körper nahm.«
    »Und ich an dem deinen«, erwiderte ich. »Darf ich solche Dinge zu einer heiligen Schwester sagen?«
    »Zu jener Zeit war es rechtmäßig, was wir taten, und unsere Freude war das Maß dieser Rechtmäßigkeit. Ich freue mich so sehr, dich dieses letzte Mal zu sehen und mit dir auf all diese Dinge zurückzublicken.« In ihren Augen lag ein heftiges Leuchten, als sie sich an diese Dinge aus alten Zeiten erinnerte, fast schon ein Strahlen. Dann erhob sie sich. »Komm. Ich habe meine Pflichten, und ich darf sie nicht vernachlässigen.«
    »Nur noch eine Minute mit dir«, sagte ich.
    »Natürlich.«
    Ich sah sie an. Ein phantastischer Plan kam mir in den Sinn, daß sie mit mir nach England kommen solle und wir in der Erneuerung der Liebe, die wir einst gekannt hatten, zusammenlebten – keusch, heißt das, sie und ich. Denn wir waren die einzigen Überlebenden der Vergangenheit, und es war eine Schande, daß wir uns trennen sollten, nachdem wir uns nun wiedergefunden hatten.
    Doch dieser Plan, der mir einen Augenblick lang so wertvoll erschien, verfiel schon im Moment darauf zur Absurdität, als ich seinen Wahnsinn betrachtete: daß ich in England, in diesem protestantischen Land – einen Haushalt – ob nun keusch oder nicht – mit einer schwarzen katholischen Nonne führen sollte. Es konnte nicht sein. Und es war auch nicht wahrscheinlich, daß sie, selbst aus Liebe zu mir, mir folgen und ihre Berufung und ihren Heimatkontinent verlassen würde. So schluckte ich die Worte, als sie in mir emporstiegen, und sagte nichts und drückte nur ihre Hände mit all meiner Liebe mit den meinen.
    »Lebwohl, Matamba Schwester Isabel«, sagte ich dann schließlich.
    »Lebwohl, Andres. Gottes Liebe gehe mit dir. Du weißt, daß meine immer bei dir ist.«
    Und sie spitzte ihre Lippen und gab mir einen flüchtigen Kuß, was niemals Teil ihres Liebesspiels gewesen war, und dann war sie fort, schritt zum Kirchenportal und hinaus ins helle Sonnenlicht.
5
    Kurz darauf kam ein Bote vom Gouverneur zu meiner Behausung und sagte, das Schiff sei bereit und ich solle mich auf den Aufbruch vorbereiten. Was ich kaum glauben konnte, nachdem ich so lange von diesem Tag geträumt hatte. Denn wenn wir zu lange von einer Sache träumen, läßt sich die Verwirklichung dieser Sache schließlich nicht mehr vom Traum unterscheiden und verliert jede Wirklichkeit. Ich dachte, ich würde vor Freude weinen, wenn der Tag kam, da sie mir sagten, ich könne gehen; doch der Tag war gekommen, und ich weinte nicht. Freude verspürte ich schon, aber nur eine unterdrückte; man weint nicht vor Freude, wenn man das Weinen im Geist schon eingeübt hat. Ich glaube, es muß einen unerwartet überkommen.
    Ich trug meine wenigen Besitztümer und mein bißchen Gold zusammen und ging ein letztes Mal unter der heißen afrikanischen Sonne durch die Stadt. Die Sonne ging unter, und im Westen lag ein Streifen von schrecklicher Schönheit am Horizont, der wie Blut aussah. Ich fühlte, wie ein befremdliches Bedauern in mir emporstieg, daß ich diesen Ort, den ich so unwillig betreten hatte, nun verlassen sollte. Er war in diesen zwanzig Jahren zu meiner Heimat geworden.
    Doch England ist immer die größere und wahrere Heimat, gleichgültig, wie weit wir wandern. Und das Schiff wartete, und ich hatte niemandem Lebwohl zu sagen, nachdem ich mich schon von Matamba verabschiedet hatte, Pinto Cabral auf einer Sklavenfahrt unterwegs war und sich fast alle anderen Bekannten meines afrikanischen Lebens nun im Jenseits befanden: Doña Teresa, Don João, Serrão, Barbosa, Nicolau Cabral, Kinguri und all die vielen anderen, bis auf, glaube ich, den Imbe-Jaqqa Calandola, der nicht sterben konnte. Und von ihm würde es niemals einen Abschied geben: Er bleibt auf ewig in meiner Seele, wie ein schwarzer Nebel, der sich des Nachts ungebeten aus den Tiefen erhebt.
    Das Schiff war eine Handelskarracke von sechshundert Tonnen, die Santa Catalina, die reich mit einer Fracht von Elephantozähnen und anderen afrikanischen Schätzen beladen war und über eine gemischte Mannschaft aus Portugiesen und Spaniern verfügte. Sie hatte Cadiz zum Ziel und dann Lissabon, wo ich, wie man mir versichert hatte, eine Überfahrt nach England
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