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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis
Autoren: Robert Silverberg
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entgegen. Und warum sollten sie es auch? Die meisten waren zur Zeit der Armada erst Säuglinge gewesen. Sie sagten, England und Spanien lebten nicht nur im Frieden, sondern trieben auch viel Handel miteinander, und es gab Gerüchte, daß der Sohn des Königs von England, Charles, vielleicht eine spanische Prinzessin heiraten würde, was ich doch für überaus wundersam hielt.
    »Was?« sagte ich. »Und Drake und Raleigh schlucken das und statten dem Hof König Philips einen Höflichkeitsbesuch ab?«
    Doch die Namen Drake und Raleigh bedeuteten diesen Jungen nichts; und von Kapitän Teixeira erfuhr ich die Wahrheit, nämlich, daß Drake schon lange tot war, wie auch John Hawkins 1596 vor der Nordostküste Südamerikas auf einer unglücklichen Reise gestorben; und Raleigh war es kaum besser ergangen, nachdem König James ihn im Jahre des Herrn 1603 unter der Anklage des Verrats in den Tower geworfen hatte und er jetzt, sieben Jahre später, noch immer dort gefangen war. Und so wußte ich, daß ich ein sehr verändertes England betreten würde, in dem alte Helden als Verräter eingekerkert und die spanische Zunge in den Gemächern unseres Königs gehört werden konnte. Und dies lehrte mich viel über die Veränderungen, die der Zahn der Zeit eingenagt hatte.
    Wir reisten unter einer brennenden, geschwollenen Sonne vorbei an den hochtropischen Landen und an Guinea und am Vorgebirge Sierra Leona und in den Breitengrad des Kap Verde, und ein paar Tage darauf waren wir direkt unter dem Wendekreis des Krebses. Am nächsten Tag sichteten wir ein Schiff, das gegen den Wind zu uns fuhr und sich als französischer Freibeuter von neunzig Tonnen erwies. Es kam hartnäckig und verzweifelt auf uns zu, stellte fest, daß wir ein Handelsschiff waren, und hielt uns für schwach und eine leichte Beute. Die Franzosen legten sich also längsseits von uns, und es traten einige Männer in Rüstungen auf Deck und befahlen uns, die Segel zu streichen; woraufhin wir sie unter Feuer nahmen, mit Querfeuer, Kettenschüssen und Pfeilen, so daß ihnen das Oberwerk des Schiffes um die Ohren flog, wir alle diese Männer töteten und das Schiff mit unseren Geschützen schwer beschädigten.
    Dann fiel der Franzose zurück, setzte die Segel und verschwand; und als wir das sahen, gaben wir ihm noch vier oder fünf gute Salven zum Abschied; und so wurden wir diesen Franzosen los. Das sind die Risiken der See. An diesem heißen Gefecht nahm ich nicht teil, da ich nur Passagier war und nicht gebraucht wurde. Doch es erinnerte mich an meine jungen Tage, denn dies war meine gefährlichste Passage, die ich seit der Armada gehabt hatte. Was ich zu den Matrosen sagte, und die jüngeren betrachteten mich mit so leeren Augen, als ich die Armada erwähnte, als hätte ich von den Kreuzzügen gesprochen. Nun, und eines Tages werden auch sie fünfzig Jahre alt sein, wenn ihnen so viel Glück gewährt ist. Denn niemand kann sich dem Lauf der Zeit entziehen oder ist vor ihm gefeit, wie sehr er dies auch denken mag, wenn er jung ist.
    Dann setzten wir unseren Weg fort, und nach erstaunlich kurzer Zeit fuhren wir in die Straße von Cadiz ein. Hier entluden wir einen Großteil unserer Fracht, und ich ging an Land, um sagen zu können, einmal einen Fuß auf spanischen Boden gesetzt zu haben. Es regnete etwas, und die Luft war kalt, und ich hüllte mich eng in meine Kleidung, da diese Temperatur mir, der ich von meinem langen Leben in Afrika dünnhäutig geworden war, höchst rauh erschien. Und danach fuhren wir nach Lissabon, wo ich zwei Wochen in besserem Wetter verbrachte, bis ich an Bord des englischen Schiffes Mary Christopher gehen konnte, das mich nach Hause brachte.
    Dies war schließlich eine Reise, die so schnell vonstatten ging, daß sie mir wie ein Traum vorkam. Denn am einen Tag betrat ich das Schiff, und – so stellte ich es mir vor – am nächsten war ich in meiner Heimat. Doch in Wirklichkeit trug sich dies nicht ganz so zu, denn ich zog mir ein Fieber zu und delirierte ein paar Tage; doch ich erholte mich wieder völlig. Der Name des Kapitäns lautete Nicholas Kenning, und sein Lotse hieß John Loxmith, und sie betrachteten mich – wie übrigens auch ihre Männer – wie ein überaus seltenes und zerbrechliches Exemplar Mensch, denn sie wußten, daß ich lange Zeit in afrikanischer Gefangenschaft verbracht hatte.
    Wir bekamen einen guten Wind nach England, und durch Gottes Gunst und Vorsehung bekamen wir am siebenundzwanzigsten Tag des Junis im Jahre des
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