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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk
Autoren: Hugo Ball
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himmelblaue und goldene
    Kindsköpfigkeit hat er aufgenommen. Von ihren Furcht-, Nacht- und
    Troststücken erfüllt ist sein Werk. Er ist der letzte aus diesem Zuge
    und also auch derjenige, der die Summe ihrer Erfahrung und ihrer
    Nöte, ihrer weltfernen Leiden und überströmenden Sehnsüchte trägt.
    Von Sonne, Mond und Sternen spricht sein Werk, und sie sind noch
    immer wie einst. Von Blumen, Vögeln und Fischen, und sie sind um
    ihrer selbst willen da. Und da sich im Menschen all diese trefflichen

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    Meisterstücke des Schöpfers in immer wieder erstaunlicher Mischung
    spiegeln, so ist er der Freund und Bruder auch des Menschen,
    wiewohl der Mensch nur selten, nur in der Liebe zur Kreatur, als der
    Erleuchtete und allem Leben Verbundene, als Franziskus und Buddha
    die tote und die belebte Natur übertrifft.
    Ländlich-holde Bläsermusik begleitet diesen Zauberer, wenn er
    auftritt. Es leuchtet, blüht und stöhnt; es fliegt, zwitschert und
    schluchzt in seinen Büchern. Die Tiere bekommen Menschengesicht,
    und die Menschentiefe bewegt ein seltsames Geschiebe von Tier-
    und Pflanzenseelen, von Urwald- und Dschungeldüften; von all den
    fremden, klingenden Dingen, die der Traumbereich und die Sinne zu
    fassen vermögen.
    Dieser Dichter liebt nicht die Monstrebücher und großen Formate;
    nicht bei andern und nicht bei sich selbst. Talent haben, heißt ihm
    Talent verbergen. Die Kunst des Schreibens besteht im Weglassen
    und Einsparen, im Reduzieren. Ein Satz, ja eine Geste oder ein
    Schweigen ersetzen in seinen Büchern den Aufwand ganzer Kapitel.
    Nicht die Maschinerie des Romans und nicht das Theater der
    aufgetragenen Leidenschaften sind ihm verfänglich; weder die
    Abstraktion und das Gemächte der Absicht, noch die furiose Gewalt
    des Genies. Das Kabinettstück ist seine Sache. Langsames Wachsen
    und Reifen, ein Aufleuchten der Gnade; Jungsein und Altsein und
    Wiedergeburt –: das sind die Quellen seiner Erzählung. Wie in der
    zierlichen Sinfonietta die einzelnen Sätze einander ablösen mit der
    Verpflichtung zu Wechsel und Kontrast, so kennzeichnet das Werk
    dieses Dichters mehr der Gegensatz und das verschlungene Motiv als
    der bewußte und kahle Gedanke.
    Merkwürdig genug: dieser Musikus, der die Flöte zu spielen versteht,
    ist zugleich ein hervorragender Bildner. Die Musik ist immer zuerst
    da, schon von weitem her, wenn er kommt. Sie läuft ihm voraus, sie
    begleitet ihn; dann umtanzt sie die Bilderbogen, die er aufrollt. Und
    dies ist selten, und lustig und traurig zugleich; weil dann die schönen
    Dinge gar sehr vorhanden und süß sind und doch vergänglich
    erscheinen; weil sie den festlichen Tod im Gesichte tragen und schon
    die beginnende Gnade der Wiederkehr. Mit Auge und Ohr zugleich
    umfaßt dieser große Künstler die Gegenstände, und immer mit gleich
    verteilter Schärfe. Kein Gedanke, der sich ihm nicht in Bild und

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    Musik, in eine wohlklingende Schildnerei auflöste. Er lauscht und
    zeichnet. Er hat die gemessene Logik eines Architekten, und doch
    auch die stille Geduld eines Gärtners, der warten kann, bis sich die
    schmächtige Pflanzung zum tragenden Wipfel verzweigt.
    Es gibt heute keinen zweiten Dichter, der so sehr die Tradition für
    sich hat und so bewußt in ihr ruht. Die Ruhe ist ihm eigen wie dem
    Baume im Park und im Walde, der Ulme und Esche, die aufwachsen,
    Ringe gewinnen und sich im Abendwind wiegen. Die Ruhe ist ihm so
    eigen wie dem Brunnen, der in sich verspielt und versunken ist, und
    dem still fließenden Gewässer, das in seinen eigenen Kreislauf
    mündet. Der Wald gehört ihm, der Schwarzwald und der Odenwald;
    noch heute, er weiß es wohl. Ihm gehört der schlafende Garten, die
    tönende Nacht und das Urbild der Mutter, der freundliche Tod, für
    den er das franziskanische Bruderwort findet.
    Und es gibt keinen Zweiten heute, der so allem Echten, Dauernden,
    Liebenden auch im geistigen Bezirke zugetan und verschworen wäre.
    Für die durchdringenden Augen dieses Mannes gibt es kein Flunkern,
    kein Klopfreden, keinen Firlefanz. Wie seiner Worte Form und Treue
    erkämpft und errungen ist, mit mancherlei Irrweg und Scham, mit
    mancherlei Aufbruch und Heimweh, mit Scherbengeklirr und mit
    wehem Verzicht, so sieht er im Getümmel der Schreiber und
    Sprecher, der Bildner und Musikanten auf das Herz vor allem, daß es
    genau und richtig schlage; daß es gelitten habe und seinen Glanz
    behalten; daß es ritterlich sich darbringe; daß es im Denken der
    Väter
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