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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten
Autoren: Agatha Christie
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eben, «und da kann man gar nichts machen.»
    Lydia wollte auffahren, beherrschte sich aber. «Musst du ihm denn immer nachgeben?», fragte sie.
    «Er ist ein sehr alter Mann, meine Liebe…»
    «Ja, ich weiß! Ich weiß!»
    «Er nimmt es für selbstverständlich, dass alles nach seinem Willen geht.»
    «Begreiflich! Es war ja immer so», erwiderte Lydia trocken. «Aber früher oder später wirst du doch einmal Widerstand leisten müssen, Alfred.»
    «Was willst du damit sagen, Lydia?»
    Sie zuckte die zarten Schultern und versuchte ihre Worte sehr sorgfältig zu wählen. «Nun, dein Vater hat manchmal recht tyrannische Anwandlungen. Und je älter er wird, desto herrschsüchtiger wird er. Wo soll das enden? Schon jetzt schreibt er uns unser Leben vor. Wir können nie von uns aus etwas beschließen, und wenn wir es trotzdem einmal tun, regt er sich auf.»
    «Vater ist eben gewohnt, immer der Erste zu sein. Er ist sehr gut zu uns, vergiss das nicht.» Alfred sagte dies mit harter Unnachgiebigkeit.
    «Finanziell, meinst du?», fragte Lydia ruhig.
    «Ja. Er selber ist ziemlich anspruchslos; aber noch nie hat er uns das Geld vorgeworfen, das wir ausgeben. Du darfst an Kleidern oder Einrichtungen für dieses Haus anschaffen, was du nur willst, und die Rechnungen werden anstandslos bezahlt. Erst letzte Woche hat er uns den neuen Wagen gekauft.»
    «Ich gebe zu, dass er in Gelddingen sehr großzügig ist. Aber er erwartet, dass wir uns wie seine Sklaven benehmen.»
    «Sklaven?»
    «Jawohl, so sagte ich. Du bist sein Sklave, Alfred. Wenn wir eine Reise planen und dein Vater plötzlich wünscht, dass wir hier bleiben sollen, dann sagst du alles ab und bleibst. Wenn ihn aber zufällig die Laune packt, uns wegzuschicken, dann gehen wir. Es gibt für uns kein eigenes Leben, keine Unabhängigkeit.»
    «Bitte, Lydia, red nicht so!», sagte Alfred verzweifelt. «Es ist wirklich undankbar. Mein Vater hat alles für uns getan.»
    Lydia unterdrückte die Antwort, die schon auf ihren Lippen lag, und zuckte nur wieder die schmalen Schultern.
    «Vater hat dich nämlich wirklich sehr gern, Lydia…»
    Klar kam die Antwort: «Ich kann ihn nicht ausstehen.»
    «Lydia! Wie kannst du das sagen! Es ist so lieblos. Wenn Vater das wüsste.»
    «Dein Vater weiß ganz genau, dass ich ihn nicht mag. Ich glaube, es amüsiert ihn.»
    «Nein, da irrst du dich, ganz bestimmt! Er hat mir oft gesagt, wie reizend du immer zu ihm seist.»
    «Natürlich bin ich höflich zu ihm, werde es immer sein. Meine ehrlichen Gefühle sage ich nur dir. Ich kann deinen Vater nicht ausstehen, Alfred. Für mich ist er ein alter, tyrannischer, böser Mann. Dich schüchtert er einfach ein und erwartet dafür noch deine Kindesliebe. Schon vor Jahren hättest du dich dagegen auflehnen sollen.»
    «Das genügt, Lydia.», sagte Alfred scharf. «Bitte, red nicht mehr in diesem Ton weiter.»
    Sie seufzte. «Verzeih, vielleicht habe ich Unrecht. Also, sprechen wir von den Weihnachtsvorbereitungen. Glaubst du, dass dein Bruder David wirklich kommt?»
    «Warum nicht?»
    Sie wiegte zweifelnd den Kopf hin und her. «David ist ein komischer Kauz. Er hat so sehr an eurer Mutter gehangen - und jetzt mag er das Haus nicht mehr leiden.»
    «David ist Vater immer auf die Nerven gegangen», sagte Alfred, «mit seiner Musik und seinen Träumereien. Dabei war Vater sicher manchmal zu streng mit ihm. Aber ich glaube, dass Hilda und David dennoch kommen werden. Wegen Weihnachten, weißt du?»
    «Friede und den Menschen ein Wohlgefallen.», zitierte Lydia ironisch. «Wir werden ja sehen. Magdalene und George kommen jedenfalls, wahrscheinlich morgen, haben sie geschrieben. Ich fürchte, Magdalene wird sich entsetzlich langweilen.»
    «Warum mein Bruder ein Mädchen heiraten musste, das zwanzig Jahre jünger ist als er», warf Alfred ein wenig gereizt ein, «wird mir ewig ein Rätsel bleiben. George ist und bleibt ein Narr.»
    «Aber er macht Karriere», sagte Lydia. «Seine Wähler lieben ihn. Ich glaube, dass Magdalene ihm bei seiner politischen Arbeit ziemlich viel hilft.»
    «Ich mag sie nicht sonderlich», murmelte Alfred. «Sie sieht sehr gut aus, aber manchmal werde ich das Gefühl nicht los, sie sei wie eine jener Birnen mit der rosigen Haut und dem flaumigen Schimmer…» Er brach ab.
    «Die innen dann faul sind?», beendete Lydia seinen Satz fragend. «Komisch, dass du das sagst. Du bist doch sonst so umgänglich und sagst nie etwas Abfälliges über jemanden. Manchmal regt mich das
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