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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn
Autoren: David Moody
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begonnen hatte, zwang Michael, sich etwas mehr Mühe zu geben. Er ließ sich durch den Kopf gehen, was er sagen konnte, damit sie bei ihm am Tisch blieb. Anfangs war es ein unwillkürliches Gefühl, doch binnen weniger Sekunden wurde ihm klar, dass er eigentlich nicht wollte, dass sie ging.
    »Tut mir Leid«, wiederholte er. »Es ist nur so ... nach allem, was passiert ist ... Ich meine, ich weiß nicht, warum ich ...«
    »Ich hasse Suppe«, murmelte Emma und fiel ihm bewusst ins Wort, um das Gespräch in sicherere, neutralere Gefilde zu lenken. »Ganz besonders Gemüsesuppe. Herrgott, ich kann Gemüsesuppe nicht ausstehen.«
    »Ich auch nicht«, gestand Michael. »Ich hoffe nur, irgendjemand mag sie. Ich habe vier Dosen davon hier.«
    So rasch, wie das kurze Zwiegespräch begonnen hatte, endete es wieder. Mehr gab es nicht zu sagen. Belangloses Gerede schien unnötig und unpassend. Beide wollten nicht darüber sprechen, was geschehen war, aber beide wussten, dass es sich nicht vermeiden ließ. Emma holte tief Luft und versuchte es erneut.
    »Warst du weit von hier weg, als es ...«
    Michael schüttelte den Kopf.
    »Ein paar Meilen. Gestern bin ich hauptsächlich planlos umhergeirrt. Ich war überall im Ort, obwohl mein Haus nur zwanzig Minuten entfernt liegt.« Er rührte die Suppe um und fühlte sich verpflichtet, ihr dieselbe Frage zu stellen.
    »Meine Wohnung ist gleich auf der gegenüberliegenden Seite des Parks«, antwortete sie. »Ich habe gestern den ganzen Tag im Bett verbracht.«
    »Im Bett?«
    Sie nickte und lehnte sich an die nächste Wand.
    »Sonst schien es nicht viel zu tun zu geben. Ich habe einfach den Kopf unter die Decke gesteckt und so getan, als wäre nichts passiert. Das heißt, bis ich die Musik hörte.«
    »War verdammt genial, die Musik zu spielen.«
    Michael schöpfte eine großzügige Portion Bohnen in eine Schale und reichte sie Emma. Sie ergriff einen Plastiklöffel vom Tisch und rührte eine Weile in dem heißen Essen, bevor sie vorsichtig einen Mund voll probierte. Eigentlich wollte sie nicht essen, aber sie war am Verhungern. Seit ihrem verhinderten Einkaufsbummel am Morgen des Vortags hatte sie keinen Gedanken an Essen verschwendet.
    Ein paar der anderen Überlebenden spähten in ihre Richtung.
    Michael wusste nicht, ob die Mahlzeit oder der Umstand, dass er und Emma sich unterhielten, ihre Aufmerksamkeit erregte. Bevor sie herübergekommen war, hatte er den ganzen Vormittag keine zwei Worte gesprochen. Es schien, dass ihre Kommunikation wie eine Art Dammbruch wirkte. Er beobachtete, wie mehr und mehr der bislang in sich gekehrten Überlebenden neue Lebenszeichen erkennen ließen.
    Eine halbe Stunde später war alles aufgegessen. Mittlerweile fanden im Saal zwei oder drei Unterhaltungen statt. Kleine Gruppen von Überlebenden kauerten sich zusammen, während andere alleine blieben. Einige Menschen redeten (mit offenkundiger Erleichterung in den Gesichtern), andere weinten. Die Geräusche des Schluchzens waren über die gedämpften Gespräche deutlich zu hören.
    Emma und Michael waren zusammengeblieben. Sie unterhielten sich sporadisch miteinander und erfuhren ein wenig voneinander. Michael wusste inzwischen, dass Emma Medizinstudentin war, Emma umgekehrt, dass Michael mit Computern arbeitete. Außerdem fand sie heraus, dass Michael alleine lebte. Seine Eltern waren vor kurzem mit seinen beiden jüngeren Brüdern nach Edinburgh gezogen. Sie erzählte ihm, dass sie beschlossen hatte, in Northwich zu studieren, und dass ihre Familie in einem kleinen Dorf an der Ostküste wohnte. Weder er noch sie konnten sich überwinden, ausführlicher über ihre Angehörigen zu reden, da beide nicht wussten, ob die Menschen, die sie liebten, noch am Leben waren.
    »Was hat das verursacht?«, wollte Michael wissen. Er hatte schon ein paar Mal versucht, die Frage zu stellen, die Worte jedoch nicht hervorgebracht. Natürlich wusste er, dass Emma keine Antwort darauf haben würde, trotzdem half es, die Frage ausgesprochen zu haben.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung, vielleicht eine Art Virus?«
    »Aber wie konnten dadurch so viele Menschen getötet werden? Und so schnell?«
    »Keine Ahnung«, wiederholte sie.
    »Herrgott, ich musste mit ansehen, wie dreißig Kinder innerhalb von wenigen Minuten gestorben sind. Wie um alles in der Welt könnte ...«
    Sie starrte ihn an. Er verstummte.
    »Tut mir Leid«, murmelte er.
    »Schon gut«, seufzte sie.
    Eine weitere betretene, bedeutungsschwere Pause
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