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Hennessy 02 - Rätselhafte Umarmung

Hennessy 02 - Rätselhafte Umarmung

Titel: Hennessy 02 - Rätselhafte Umarmung
Autoren: Tami Hoag
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gewusst , daß Hennessy kein Butler war. Aber er hatte so überzeugend mitgespielt, daß sie schließlich beschlossen hatte, ihr kleines Spiel für wahr zu halten. Sie hob die Hand in einer königlichen Geste, die zugleich resigniert und traurig wirkte. »Er hat mich zum Lachen gebracht.«
    »Mich auch«, murmelte Rachel. Sie biß sich auf die Lippe, um die Tränen zurückzuhalten, aber es war zu spät. Sie rollten über ihre Wangen und fielen auf das Oberteil ihres perlenbestickten Kleides.
    »Du darfst nicht auf Satin weinen«, mahnte Addie nachsichtig. »Das gibt Flecken.«
    Sie nahm ihrer Tochter das Kleid aus der Hand und klopfte es kurz ab, bevor sie es über das Fußende des Bettes hängte. Dann stand sie auf und ging an die Kommode, um die Bürste zu holen.
    »Wir müssen umziehen«, sagte Rachel, während sie zusah, wie Addie die Bürste durch das Krähennest zerrte, in das sich ihr Haar verwandelt hatte. »Hast du das begriffen?«
    »Ja«, sagte Addie und starrte auf die beiden Frauen in dem Spiegel über der Kommode. Sie wollte nicht über den Umzug reden. Die Vorstellung ängstigte sie immer mehr. Sie verstand nicht genau, warum sie umziehen mussten . Rachel würde es ihr erklären, falls sie fragte, aber wozu war das gut? Die Entscheidung lag nicht mehr in ihrer Macht. Ihre Unabhängigkeit war ihr zwischen den Fingern zerronnen. Dagegen anzukämpfen machte sie nur noch müde.
    »Einhundert Bürstenstriche jede Nacht«, sagte sie und schlurfte durchs Zimmer, bis sie hinter Rachel stand. Langsam und sanft zog sie die Borsten durch das blaßgoldene Haar ihrer Tochter. »Du wirst für mich zählen müssen, meine Kleine, ich komme nicht mehr über vierzig. Oder waren es sechzig?«
    »Schon gut, Mutter«, sagte Rachel und lächelte sie unter Tränen an. »Ich werde für dich zählen.«
    »Nein.« Addie bürstete stetig und methodisch. Es beruhigte sie, daß sie diese einfache Aufgabe noch bewältigen konnte. »Sing für mich. Du hast eine Engelsstimme. Sing die Arie aus Zaide. Mozart war ein Idiot, aber er schrieb wunderschöne Musik.«
    Rachel atmete tief ein, schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter und sang dann die Arie aus Zaide - »Ruhe sanft«. Es war ein zauberhaftes Lied, rein und klar und unschuldig. Sie war außer Übung, aber sie war mit einem natürlichen Talent gesegnet, das scheinbar jede Übung überflüssig machte. Ihre ätherische Stimme war so lieblich und rein, daß sie das Lied durch das ganze Haus trug, obwohl Rachel nicht laut sang. Und als sie verstummte, herrschte vollkommene Stille, so als würde das Haus selbst ehrfürchtig den Atem anhalten.
    Addie legte die Bürste beiseite und stützte die dürren, altersfleckigen Hände auf Rachels Schultern. »Du bist eine gute Tochter.«
    Rachel lächelte. Für diesen Augenblick hatte sie gebetet, darauf hatte sie all ihre Hoffnungen gesetzt - ein Zeichen, daß Addie ihr alles vergeben hatte. Es würde keine aufrührende Versöhnungsszene mit Küssen und Freudentränen geben. So etwas gab es noch nie bei den Lindquists. Aber auf seine Art war das hier genauso anrührend, genauso innig. Und es bedeutete ihr ganz bestimmt genauso viel . Sie hatte befürchtet, daß dieser Augenblick nie mehr kommen würde, daß Addie ihr langsam entgleiten würde und sie immer nur als zwei Fremde in einem Haus leben würden, zwischen denen nichts als Bitterkeit stand.
    Sie legte ihre Hand auf die ihrer Mutter und wünschte sich flüchtig, daß sie diesen Augenblick mit Bryan teilen könnte. Aber Bryan war fort, j etzt hatte sie nur noch Addie.
    »Danke, Mutter.«
    Addie seufzte und schlurfte zur Tür. »Sag Wimsey, daß das Abendessen gleich fertig ist. Ich muss bloß noch die Vögel füttern.«
    So schnell war Addie verschwunden. Die zerbrechliche Verbindung zwischen der Realität und ihrem Geist war zusammengebrochen.
    Die letzten Minuten waren ein Geschenk gewesen, dachte Rachel, während sie ihre Mutter davonschlurfen sah. Wie ein Wunder.
    Vielleicht gab es ja doch so etwas.
    Addies Schrei riss Rachel aus ihren Gedanken und ließ sie vom Bett aufspringen. Sie zerrte sich die Jeans über die Beine und rannte in den Flur, der zornigen Stimme ihrer Mutter nach.
    »Diesmal krieg ich dich, du grässliches Ungeheuer.«
    Addie stand mitten im Flur und schleuderte einen Stein auf die Erscheinung, die in Rauch gehüllt dicht bei der Tapetentür stand. Ihr Wurf hätte einem Baseballspieler Ehre gemacht. Der Stein segelte in einem eleganten Bogen durch den Korridor
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