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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
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gibt es gar keine Nummern an den Türen. Nur Namen«, pflegte er drei Monate lang immer wieder zornentbrannt von sich zu geben. Er redete so lange davon, bis er schließlich zur Tat schritt, die Nummer abnahm und seinen Namen dranschreiben ließ. Das blieb die einzige Reform, die er nach seinem sechsmonatigen Fortbildungsseminar beim FBI durchführte.
    »Treten Sie ein, er erwartet Sie schon«, sagt Koula, die aufgedonnerte Polizeitippse, die sich bei ihm als Sekretärin verdingt hat.
    Das Büro ist groß und hell, mit Spannteppich am Boden und Gardinen vor den Fenstern. Ursprünglich sollten alle Büros Gardinen erhalten, doch das Budget war bald ausgeschöpft, und so beschränkte man sich auf die fünfte Etage. Neben der Tür befindet sich eine Sitzecke für Besucher mit einem rechteckigen Tisch und sechs Stühlen. Der Chef sitzt mit dem Rücken zum Fenster, sein Schreibtisch ist gut drei Meter lang. Ein modisches Modell mit Metallbeschlägen an den Ecken. Benötigt man ein Schriftstück vom anderen Ende des Schreibtisches, dann braucht man einen Kran mit Greifarmen.
    Ich sehe auf und bemerke, daß sein Blick auf mir ruht. »Etwas Neues in der Albanerfrage?« meint er.
    »Nichts von Belang, Chef. Das Verhör ist aber noch nicht beendet.«
    »Noch Beweismaterial aufgetaucht?« Knappe Fragen, knappe Antworten. Das ist sein Stil: nur das Notwendigste, um zu verstehen zu geben, daß er erstens gestreßt, zweitens effektiv und drittens auf das Wesentliche und Konkrete beschränkt ist. Amerikanischer Stil, wie gesagt.
    »Nein. Aber, wie Sie wissen, haben wir eine Augenzeugin, die ihn wiedererkannt hat.«
    »Das bedeutet noch nicht unbedingt, daß sie ihn belastet. Sie hat ihn um das Haus schleichen sehen. Sie hat ihn weder rein- noch rausgehen sehen. Fingerabdrücke?«
    »Jede Menge. Die meisten vom Ehepaar. Keine vom Verdächtigen. Tatwaffe wurde auch nicht gefunden.« Er verleitet mich auch zum Telegrammstil, der Holzkopf.
    »Gut. Sagen Sie den Journalisten, daß es vorläufig keine offiziellen Erklärungen geben wird.«
    Das hätte er sich sparen können. Denn wenn es eine Presseerklärung gibt, dann verliest er sie stets selbst. Ich muß ihm vorher alles fein säuberlich aufschreiben, und er lernt es dann Wort für Wort auswendig. Das sage ich jetzt nicht etwa, weil ich mich zurückgesetzt fühle. Es stört mich absolut nicht. Die Reporter liegen mir ohnehin im Magen. Das ist so wie mit dem Sesamkringel und dem Croissant. Früher gab es Journalisten und Tageszeitungen, heutzutage Reporter und Kameras.
    Auf einer Dienstleitung lasse ich den Albaner zum Verhör rufen. Es findet in einem schmucklosen Büro mit nackten Wänden, einem Tisch und drei Stühlen statt. Als ich eintrete, sitzt der Albaner in Handschellen auf einem Stuhl.
    »Soll ich ihm die Handschellen abnehmen?« fragt der Kriminalbeamte, der ihn hereingeführt hat.
    »Vorerst nicht. Warten wir lieber ab, ob er sich als Mensch oder Schweinehund erweist.«
    Ich betrachte mir den Albaner. Seine Hände ruhen auf der Tischkante. Zwei schwielige Hände mit dicken Fingern und langen Nägeln mit schwarzen Trauerrändern. Sein Blick fällt auf sie. Er sieht sie verwundert an, wie zum allerersten Mal. Worüber wundert er sich? Daß er mit ihnen getötet hat? Oder daß sie so feist und dreckig sind? Oder daß Gott ihn mitsamt diesen Händen erschaffen hat?
    »Sagst du mir nun, warum du sie umgebracht hast?« frage ich.
    Er löst langsam den Blick von seinen Händen. »Haste Zigarett?«
    »Geben Sie ihm eine von Ihren«, sage ich zu dem Kriminalbeamten.
    Er schaut mich überrascht an. Will ich wirklich eine Zigarette schnorren? Scharfe Auffassungsgabe, der Junge! Er raucht Marlboro, während ich bei einer griechischen Marke geblieben bin. Ich gebe dem Albaner eine Marlboro, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Der Beamte steckt ihm die Zigarette in den Mund, und ich zünde sie ihm an. Er saugt gierig zwei tiefe Züge ein. Er hält den Rauch in seiner Lunge förmlich gefangen. Dann läßt er ihn ganz langsam wieder herausströmen, um ihn möglichst lange zu genießen. Er hebt beide Hände gleichzeitig hoch und klemmt die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand.
    »Ich nix umbringen«, sagt er, und im selben Augenblick bewegen sich seine beiden Hände blitzschnell mit der Zigarette zum Mund. Gleichzeitig schwillt seine Brust, um den Rauch aufzunehmen. Sein Instinkt sagt ihm, daß ich ihm die Zigarette gleich wieder wegnehmen werde, da ich von ihm nicht
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