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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
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Büro drängeln sie sich schon. Die einen halten Mikrofone in der Hand, die anderen Aufnahmegeräte. Alle haben sie diesen lechzenden ruhelosen Blick. Eine Schar Heißhungriger, die auf die neueste Nachricht wartet wie der Soldat auf die Gulaschkanone. Die Kameraleute sehen mich kommen und schultern ihre Geräte.
    »Kommt rein, Leute.« Ich öffne die Tür zu meinem Büro, und zu mir selbst sage ich: »Geht doch alle zum Teufel, Kanaillen, und laßt mich in Ruhe!« Alle zwängen sich hinter mir herein und plazieren auf meinem Schreibtisch die Mikrofone mit den Kürzeln ihrer Sender, die Kabel und die Aufnahmegeräte. Innerhalb weniger Minuten hat sich mein Schreibtisch in einen Trödelladen verwandelt.
    »Was haben Sie uns Neues über den Albaner zu sagen, Kommissar?« fragt mich Sotiropoulos. Er trägt ein gestreiftes Hemd von Armani, einen britischen Trenchcoat, Wildlederschuhe der Marke Timberland und eine Brille mit einer runden Metallfassung, wie sie früher vom seligen Himmler getragen und später von Intellektuellen wiederentdeckt wurde. Die Anrede ›Herr‹ hat er schon seit geraumer Zeit fallengelassen, er sagt einfach ›Kommissar‹. Jedesmal beginnt er seine Frage mit ›Was haben Sie uns zu sagen‹, um mich in die Position eines Prüflings zu drängen, den er zu benoten hat. Nun ja, er meint, aus ihm spreche die Stimme des Volkes. Und vor dem Volk gelten keine Unterschiede. Da fällt eine gewisse Höflichkeitsform schnell unter den Tisch. Sein wachsames Auge läßt nie von dir ab, es ist jederzeit bereit, dich zu prüfen und zu mahnen. Der moderne Robespierre mit Kamera und Mikrofon.
    Ich übersehe ihn geflissentlich und wende mich an alle zusammen. Will er Gleichberechtigung, so soll er sie haben. »Ich habe Ihnen nichts mitzuteilen, meine Damen und Herren«, sage ich mit einem freundlichen Lächeln. »Das Verhör ist noch nicht abgeschlossen.«
    Sie schauen mich enttäuscht an. Eine kleine Runzlige mit roten Strümpfen macht noch einen Versuch, mir eine weitere Information zu entreißen. Nur so, wegen der Berufsehre.
    »Haben Sie Hinweise, daß er der Mörder sein könnte?« fragt sie.
    »Ich sagte Ihnen doch, wir verhören ihn noch immer«, entgegne ich. Und um ihnen zu signalisieren, daß die Diskussion beendet ist, nehme ich das Croissant, das mir Thanassis hingelegt hat, aus der Zellophanhülle und beiße herzhaft hinein.
    Sie beginnen ihre Utensilien zusammenzupacken, und mein Schreibtisch nimmt wieder gesunde Formen an. Wie ein Todkranker, den man nach überstandener Krise vom Beatmungsgerät abkoppelt.
    Janna Karajorgi bleibt als letzte zurück. Sie läßt sich absichtlich Zeit und wartet, bis die anderen draußen sind. Die kann ich noch weniger als alle anderen ausstehen. Nur so, ohne bestimmten Grund. Sie sieht nicht älter als fünfunddreißig aus, ist immer elegant gekleidet, ohne exaltiert zu wirken. Weite Hosen, Jackett, teure Halskette mit einem Kreuz oder Medaillon. Ich weiß nicht warum, aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß sie lesbisch ist. Sie ist eine schöne Frau, doch ihr kurzes Haar und die Kleidung lassen sie männlich wirken. Kann natürlich sein, daß nichts von alledem zutrifft und mich nur meine krankhafte Phantasie aufs Glatteis führt. Jetzt steht sie neben der Tür. Sie wirft einen Blick hinaus, um zu prüfen, ob sich die anderen entfernt haben. Dann schließt sie die Tür. Ich esse mein Croissant weiter, als ob nichts geschehen wäre.
    »Wissen Sie, ob das getötete Ehepaar Kinder hatte?« fragt sie mich plötzlich.
    Ich wende mich ihr überrascht zu. Sie hat ihren arroganten Blick aufgesetzt und lächelt mich an. Genau diese aus der Luft gegriffenen Fragen sind es, die mich aufregen. Die sie spontan in den Raum wirft und mit einem ironischen Lächeln unterstreicht, um dir zu verstehen zu geben, daß sie mehr weiß als du und es dir nicht sagt. Um dich damit zu quälen. Sie weiß nichts, sie tappt im dunkeln.
    »Meinen Sie, daß es Kinder gibt und wir sie übersehen hätten?«
    »Möglicherweise waren sie nicht mehr dort, als die Polizei den Tatort aufsuchte.«
    »Was soll ich Ihnen dazu sagen? Vielleicht haben ihre Eltern sie an eine amerikanische Universität geschickt. In diesem Fall hat man sie noch nicht ausfindig machen können.«
    »Ich meine keine erwachsenen Kinder, sondern ganz kleine Kinder«, entgegnet sie. »Im Krabbelalter, höchstens zweijährig.«
    Irgend etwas weiß sie und amüsiert sich dabei, mit mir rumzuspielen. Ich entschließe
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