Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Autoren: Paul Lascaux
Vom Netzwerk:
musste nur das Werbekonzept anpassen, da das vorliegende Material keinen ernsthaften Historienfilm erlaubte, sondern eher in die Kategorie Slapstick fiel. Wenn man ihn mit einer entsprechenden musikalischen Untermalung krönte, würde es für Furore sorgen. Zuerst würden sich die aufrechten Patrioten melden und sich gegen die Verballhornung eines der wichtigsten und ernsthaftesten Kapitel der Schweizer Geschichte wehren. Daraufhin kämen die religiösen Fanatiker und meinten, eine derart folgenschwere, unchristliche Schlacht mit außerordentlich vielen Toten lächerlich zu machen, sei unmoralisch. Weiter meldeten sich Vertreter anderer Religionsgemeinschaften und vermissten eine ausgewogene historische Würdigung ihrer – wenn auch bescheidenen – Teilnahme an diesem Anlass. Im Weiteren äußerten sich Sponsoren, die mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren, anschließend eidgenössische Parlamentarier, die den Missbrauch von Steuergeldern beklagten, schließlich Kritiker, die in den Hauptfiguren keine Entwicklung erkennen konnten, danach die Schauspielergewerkschaften, die es verurteilten, dass ein Film freigegeben werde, bevor die letzten Löhne bezahlt seien, und zuletzt die Rechtsvertreter des Hauptdarstellers, die die Position ihres Mandaten vor Gericht gefährdet sahen, wenn man dessen schauspielerische Fähigkeiten vor dem Prozess ausbreite, womit auch der Sorge Ausdruck gegeben wurde, dass Pierre Roths Auftritt nicht zu den Highlights gehörte und kaum einen Preis gewinnen würde.
    Dennoch hatte das Publikum seinen Spaß an der Vorführung, insbesondere die Anwesenden im Bauch & Kopf, die vor allem gebannt auf ihren eigenen Kurzauftritt warteten und ihn entsprechend bejubelten. Nur Nicole Himmel war nicht zu begeistern, hatte doch irgendjemand ihren Part herausgeschnitten oder – noch schlimmer – gar nicht erst aufgenommen, dabei hatte sie tagelang ihren Satz geübt. Aber nach einem zusätzlichen Glas Rotwein kippte auch dieser Ärger in die Freude des gelungenen Abschlusses. Nur Heinrich Müller und Baron Biber ließen noch auf sich warten.
    »Die beiden gucken wieder einen Tierfilm«, witzelte einer.
    Als Henry endlich zu den anderen stieß, strahlte er übers ganze Gesicht.
    »Hört mich an«, sagte er pathetisch und hielt einen Brief vors Gesicht, den er nun vorlas: »›Sehr geehrte … Im Namen des Historischen Museums Bern darf ich Ihnen meinen aufrichtigsten Dank aussprechen. Nach einer gründlichen Abklärung durch unsere Konservatoren steht nun einwandfrei fest, dass es sich bei dem von der Polizei bei uns abgelieferten Teppichfragment um das fehlende Drittel des Tausendblumenteppichs handelt. Es ist uns eine unermessliche Freude, in einigen Monaten, nach den abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten, den gesamten Wandteppich der Öffentlichkeit vorzustellen. Dass es so weit kommen konnte, dazu haben Sie einen bedeutenden Beitrag geleistet. Da die Vorbesitzerin, Delia Zimmermann, ohne Erben verstorben ist, fällt der Gegenstand nach ihrem Tod ohne weitere Entschädigung an den Kanton Bern. Da wir dessen historisches Erbe verwalten, sind wir besonders stolz auf diesen unerwarteten Fund. Als Dank für Ihre Mühe können wir Ihnen leider kein Bargeld anbieten, hoffen jedoch, dass Sie an beiliegendem Geschenk Ihren Genuss finden.‹«
    Heinrich ließ eine Kiste besten Champagner hereintragen, den er im Keller gelagert hatte und der genau die richtige Trinktemperatur aufwies. Während der Tausendblumenteppich der Bevölkerung noch lange Freude bereiten würde, fand das Getränk rasenden Absatz und hielt nicht einmal einen ganzen Abend lang vor.
    »Auch meine Versicherung hat sich artig für unsere Hilfe bedankt, habe sie doch einen außerordentlich hohen Betrag eingespart. Allerdings war ihr dies kein besonderes Geschenk wert. Ich werde sie darauf hinweisen müssen, dass bei uns immer gegessen und getrunken wird, und man wird auch Richtung Ostschweiz schon vom unersättlichen Appetit der Berner Bären gehört haben.«
    Dann wurde zur Freude von Andreas Bohnenblust ein Backblech voller frisch duftender Brote aufgetragen, das eine Mitarbeiterin seiner Bäckerei über den Breitenrainplatz getragen hatte. Es waren Gebildebrote besonderer Art. Zur Feier des Tages und als gutes Omen für zukünftige Fälle hatte er eine Reihe von Glückssymbolen aller Zeiten und Kulturen gebacken: Hufeisen, das altägyptische Anch-Symbol, schützende Augen, vierblättrigen Klee, und – wie ein Gruß aus anderen Zeiten –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher