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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot
Autoren: Paul Lascaux
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südliche Stadttor mit dem Berntor verwechselt hatte. Er war jedoch geschickt genug, vom Bahnhof her den Stadtgraben zu nehmen, einen Fußweg, der außen zwischen der kleineren und der großen, turmbewehrten Stadtmauer durchführte, vorbei an Gärten, die – so schien es – kaum zu erreichen waren und durch hohe, belaubte Gitter oder Bretterwände geschützt vor unbefugten Blicken waren.
    Im Vorbeigehen realisierte er vielleicht die Markierungen der Sprayer, die pissenden Hunden ähnlich ihre zeitweilige Anwesenheit demonstrierten. Möglicherweise sah er die moosbewachsenen Dachziegel. Oder er blickte zu den Türmen hoch, von denen jeder eine andere Form aufwies, eckig, rund, bauchig. Eher keine Zeit hatte er, das engmaschige Rankenwerk von Schlingpflanzen zu bewundern, die sich um die rostigen Gittern wanden, da er an der Französischen Kirche vorbeihastete. Er war spät dran.
    Er erblickte den Turm der Deutschen Kirche, hetzte dennoch weiter, bis er auf der Wiese vor dem Berntor stehen blieb. Nachdem er seine Uhr befragte und sich wunderte, warum niemand auf ihn wartete, glich er seine Uhrzeit mit der der Zytglogge über dem Berntor ab und bemerkte, dass er keine fünf Minuten zu spät war. Mit großen raumgreifenden Schritten trat er durch den runden Torbogen, bog nach links in die Deutsche Kirchgasse ab und suchte den Weg zur Kirche, hinter der er den Aufgang zur Stadtmauer fand.
    Er hatte sich kein einziges Mal umgeblickt und die beiden Murtener Polizisten nicht bemerkt, die sich in seine Bewachung teilten. Der eine, der nach der Hälfte des Weges abgelöst worden war, trat in der Kreuzgasse auf einen Mann zu, der hinter der Küche eines Restaurants eine graubraune Siamkatze streichelte, aber auf jemanden zu warten schien.
    »Sie sind Herr Markwalder?«, fragte der Polizist den Mann.
    »Ja«, erwiderte dieser. »Angenehm. Und Sie sind Herr Roth?«
    »Herr Roth erwartet Sie auf dem Polizeiposten im Schloss«, erwiderte der Beamte. »Folgen Sie mir bitte. Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie keinen Skandal verursachen, oder muss ich Ihnen Handschellen anlegen?«
    »Ja. Nein«, stammelte Markwalder, der einen solchen Empfang sichtlich nicht erwartet hatte. »Ist etwas mit Herrn Roth nicht in Ordnung? Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich den Mann nicht kenne. Ich wollte ihn hier für ein Geschäft treffen, von dem er mir noch keine Details verraten hat. Ich weiß nur, dass es um einen Teppich geht. Ich soll eine Expertise erstellen …«
    »Jetzt halten Sie die Klappe«, intervenierte der Polizist. »Sie sollen eben kein Aufsehen erregen, wenn Sie keine weiteren Scherereien haben wollen.«
    Darauf schwieg Markwalder und entfernte sich mit dem Fahnder von der Stadtmauer.
    Oben hetzte Pierre Roth jedoch durch den Wehrgang, stolperte beinahe über eine Holzplanke, blickte sich immer wieder hastig um und schien sich verfolgt zu fühlen. Mit einem Blick durch die Schießscharten vergewisserte er sich, dass er keinen erkannte, der ihm auffällig erschien. Daraufhin huschte er weiter zum höchsten Turm der Mauer, stieg die Holztreppe zur Aussichtsplattform hinauf, sah niemanden, zog sein Handy aus der Tasche, besann sich eines anderen, stieg wieder hinunter und rannte nun beinahe den letzten Teil des Wehrgangs bis zum hintersten Turm, wo es ihm dämmerte, dass es von hier keinen Abgang in die Stadt gab.
    Aber da war es schon zu spät.
    Spring und Müller hatten das Tor erreicht, waren die Treppe, unter der das alte Uhrwerk ausgestellt war, hochgestiegen und konnten sich nun Zeit nehmen, Pierre Roth entgegenzugehen. Der hatte eingesehen, dass eine weitere Flucht keinen Sinn ergab, es sei denn, er stürze sich von der Mauer in den Tod, was er einen kurzen Augenblick erwog, jedoch kurz darauf verwarf. So stieg er auf den Turm in die obere Kammer und erwartete die Ankunft der beiden Männer, Müller und Spring.
    Pierre Roth hatte sich ins offene Fenster gesetzt, dessen Sims einen halben Meter tief war. Seine Beine baumelten auf der andern Seite herunter, sodass man meinen konnte, er versuchte, über das Dach der Mauer abzuhauen. Müller wollte ihn zurückhalten, aber Spring bat ihn, ruhig zu bleiben, in diesem Moment drehte sich Roth zu ihnen beiden um und sagte: »Bewegen Sie sich nicht von der Stelle. Sie werden mich gleich abholen. Dann wird es für nicht Eingeweihte gefährlich.«
    Müller schaute Spring verständnislos an, dieser zuckte die Schultern.
    »Wer?«, fragte der Störfahnder.
    »Meine Freunde aus dem
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