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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zusammengeschmolzen! Darunter ein Leutnant mit einer Kopfwunde, ein Kriegsberichter mit einem Arm und einem Schenkelschuß, ein Kriegsberichter mit einem Schulterschuß und Magenkrämpfen … das bin ich! Seit gestern nacht zeigen sich bei mir schreckliche Magenkoliken, vielleicht war das Wasser verseucht, das ich gestern aus einem Tümpel trank. Dabei sah es so klar aus wie Quellwasser. Aber was macht das auch aus … ob Typhus, Cholera oder eine Kugel – gestorben wird nur einmal!
    So sitzen sie vor mir, blutig, schmutzig, lehmgrau die Gesichter, unrasiert seit Tagen, hohlwangig, voller Anspannung und nervöser Konzentration. Diese Männer fürchten den Tod nicht, sie bedauern nur, daß er so früh kommt und so sinnlos. Sie sitzen hier, und der Leutnant spricht zu ihnen, der junge 22jährige Leutnant, den sie den ›Alten‹ nennen, ein Bursche noch und doch ein Mann, der diese Welt verachtet, weil er zu viel hinter die Kulissen des Lebens sah. Er spricht zu ihnen als bester Kamerad von den letzten Stunden, die uns bevorstehen.
    Sie nicken alle, nehmen ihr Todesurteil hin mit einem seltsamen Glanz in den trüben Augen.
    Draußen stehen die Nacht und der Tod. Hier im Keller aber setzt sich einer an das Klavier, das wohl Kameraden vor uns in den Raum geschleift haben mochten, und ein Lied klingt auf wie ein Gebet: ›Ich hatt' einen Kameraden …‹
    2 Stunden später.
    Ein Abend ist vorbeigezogen, ein Abend, wie ich ihn in meinem bunten Leben nie erlebte.
    Ich habe Volkslieder, Schlager, Melodien aus Opern und Operetten gesungen, begleitet von dem verwundeten Soldaten am verstimmten Klavier. Ich habe gesungen vor Sterbenden.
    Soll ich sagen, daß ich nie so gesungen habe wie in diesen zwei Stunden? Daß trotz der Magenkrämpfe die Stimme so frei, so weich, so voll wurde … Oh, diese Stunden … wie reich machten sie mich und doch auch so arm, so trostlos leer und müde.
    Die Verwundeten lächelten, lächelten unter Schmerzen und Blut. Die Gedanken flogen zurück in eine ferne Zeit, wo sie einst mit den Lieben im Kino einer deutschen Stadt saßen und Filme sahen, in denen diese Lieder erklangen … Alle Tage ist kein Sonntag … Glocken der Heimat … Immer nur lächeln und immer vergnügt … Heimat, deine Sterne … Blutrote Rosen … Damals, ja damals war das Leben schön, saß die Frau neben einem, in der Hand fühlte man die kleinen Finger der Kinder, und die alte Mutter zu Hause wartete mit dem Abendbrot, bis ihre großen Kinder aus dem Kino kamen. Damals, ja damals … o denkt daran, Kameraden; schließt die Augen, Kameraden, und träumt, träumt … und die Melodien umgaukeln euch, als schwebten Rosen im zarten Wind des Sommers an den Zweigen mondheller Parks …
    Wo sind die Wände des Kellers? Alles öffnet sich … ich sehe einen Kopf im Dunkeln, einen schmalen Kopf mit wirren blonden Locken, hellen Augen, und ein spöttischer Mund lächelt mich an … ja, ja, – ich bin bei dir, dort, ganz fern im Raum treffen sich unsere Seelen und Gedanken … o Hilde … Hilde …
    Vor meinen Füßen liegt ein junger Soldat, dem eine Granate beide Beine abriß. Mit gelbem Gesicht starrt er in das Flackern der Kerzen und lauscht den Melodien.
    ›Ave Maria …‹
    Sie summen alle mit, alle – die Verwundeten, die Blutenden, die Weinenden und die Verbissenen … summen, singen … Ave Maria.
    Draußen verstärkt sich das Artilleriefeuer … der Tod schlägt den Takt zu unserer Melodie.
    Herrgott, warum gibt es Kriege?!
    Herrgott, wann wird ewiger Friede sein?!
    Von draußen tönt Alarm – noch gibt der Krieg uns Antwort!
    1 Stunde später.
    Es war nur Scheinalarm. Man täuschte einen Angriff vor, um uns zu zermürben.
    Ich habe schreckliche Magenkoliken. Ich kann kaum sitzen und schreiben, die Schrift verschwimmt vor meinen Augen. Die Maschine halten kann ich schon nicht mehr … ich lege mich gleich hin.
    Doch lieber durch eine Kugel sterben als wie ein Vieh an Cholera krepieren. Wenn es losgeht, stehe ich auf.
    Aber jetzt muß ich mich legen – Kamerad Stohr, ich lege mich neben dich.
    2 Stunden später.
    Es ist stockfinstere Nacht. Wir haben beschlossen, heute den Melder loszuschicken, den jungen Abiturienten aus Weimar mit seiner Braut, die das Eiserne Kreuz haben will. Er nimmt diese Blätter mit. Gott segne ihn, daß er glücklich durchkommt … aber Hoffnung hat keiner mehr … außer er selbst.
    In einer Stunde rennt er los.
    Ich aber werde die Nacht nicht schlafen, obwohl draußen alles still ist. Meine
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