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Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Titel: Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
Autoren: Stefan;Weiss Bonner
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Böses geschieht, in ausweglosen Situationen häufiger vorkommt als im stinknormalen Alltag. Viele überfällt diese Fragestellung tatsächlich erst in Grenzbereichen des Lebens wie Geburt, Tod und Krankheit. Natürlich muss jeder nach seiner Fasson glücklich werden – seinen Glauben kann man niemandem absprechen. Er kann genauso glücklich machen wie ein Abend mit der großen Liebe auf der Terrasse einer Finca mit Meerblick, der Moment, in dem man den Abteilungsmuffel zum Lachen zu bringt, oder das Wohlgefühl, sich für die Rettung einer aussterbenden Spezies eingesetzt zu haben.
    Wie auch immer sich Ihr persönliches überirdisches oder weltliches Glück gestaltet – in einem sind sich die meisten Menschen, mit denen wir gesprochen und von denen wir gelesen und gehört haben, allerdings einig: Glaube, Religion und Kirche sind keine Dreifaltigkeit. Man kann auch ohne Kirchenclubmitgliedschaft an Jesus und seine Geschichte glauben. Genauso ist nicht jeder, der in der Kirche ist und die sonntägliche Predigt in sich aufsaugt, ein gläubiger oder »guter« Mensch. »Wir haben Freiheit nicht wegen, sondern trotz Religion erlangt«, meint auch Comedian Bernhard Hoëcker, der sich als »klassischer Atheist« bezeichnet. »Man muss natürlich unterscheiden zwischen der persönlichen Religiosität, aus der viele Menschen Kraft gewinnen, und den Religionsgemeinschaften als Institutionen, die meinen, ihren Mitgliedern moralische Vorgaben machen zu müssen.«
    Ist Religion an sich also nun gut oder schlecht? Ehrlich gesagt: beides. Mit der Religion ist es wie mit einem scharfen Messer. Man kann es benutzen, um Möhrchen zu schnippeln, man kann damit aber auch eine alte Omi abmurksen. Denn Religion handelt nicht selbst, sondern es sind die Menschen, die in ihrem Namen handeln. Man kann niemandem absprechen, an etwas zu glauben. Wenn er im Überschwang dieses Gefühls Gutes tut, umso besser. Dass Menschen aus ihrem Glauben heraus auch schon sehr viel Schlechtes getan haben, legt allerdings die Vermutung nahe, dass die Auswirkungen von Religion weniger vom Glauben an sich abhängen, als von demjenigen, der glaubt. Glaube ist ein Verstärker, für gutes wie für schlechtes Handeln. Es kommt deshalb auf den verantwortlichen Umgang mit ihm an.
    Wer also behauptet, dass man die Kirche oder die Religion oder den Glauben in der Gesellschaft bräuchte, um moralisch und ethisch »richtig« handeln zu können, der muss sich damit abfinden, dass es genügend Beispiele gibt, in denen Menschen mit stark religiös geprägtem Hintergrund großen moralischen Mist gebaut haben, und ebenso viele Fälle von Menschen, die ohne gläubig zu sein Gutes bewegt haben. Menschen wie Herbert Steffen oder Karlheinz Böhm setzen sich für die gute Sache ein, auch ohne frommen Antrieb. Denn wir können etwas verändern, mit oder ohne Gott. Wir können als Aktivistin leben wie Hanna Poddig, die ihr Essen aus den Mülltonnen der Supermärkte holt, um sich gegen den Konsumwahn aufzulehnen, wir können per Twitter totalitäre Regimes stürzen, Rainer Langhans aus dem Dschungelcamp rauswählen, Mauern zu Fall bringen, für bessere Lebensbedingungen aller Menschen eintreten oder dem Obdachlosen vor unserer Stammkneipe ein belegtes Brot bringen. Stéphane Hessel schreibt in seinem Bestseller Empört euch! , warum wir das tun sollten: »Verantwortung des Einzelnen ohne Rückhalt, ohne Gott. Im Gegenteil: Engagement allein aus der Verantwortung des Einzelnen.« Es bedarf also keiner göttlichen Gebote für den Erhalt der Schöpfung. Und wenn wir uns gegen Missstände auflehnen und für eine freiheitliche, soziale Gesellschaft und einen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Welt eintreten, dann ist das zu unserem eigenen Besten: Wir wollen in dieser Welt leben, unsere Kinder wollen es und deren Kinder ebenso wie ihre Enkel und Urenkel. Auf eine gewisse Art ist es gesunder Egoismus, was uns voranbringt.
    Was bleibt, ist der persönliche Sinn des Ganzen. Die Suche danach kann einem niemand abnehmen, Sie sollten sich diese aber auch nicht von anderen nehmen lassen. Wer aus Bequemlichkeit ein Fertighaus des Glaubens wählt, stellt oft fest, dass hinterher ein Zimmer zu wenig darin ist oder die Wände schon einstürzen, wenn der Heilige Geist oder der Wind der Aufklärung dagegenpustet. Bevor wir einziehen, sollten wir es vom Speicher bis zum Keller überprüfen. Legen Sie daher auf, wenn jemand in Gottes Namen anruft, der Ihnen weismachen will, der Sinn des Lebens,
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