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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut
Autoren: Wolgang Burger
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doch die Geräusche, die ein Garagentor macht, den Klang eines Wagens.«
    »Nein, auch nicht gehört. Aber das bedeutet nicht viel. Vor allem nachts höre ich nichts. Ich nehme Schlaftabletten. Ich muss. Ich …«
    Ihr Blick irrte ab, als hätten ihre Gedanken plötzlich die Richtung verloren.
    »Herr Seligmann war früher Lehrer, sagte mir Ihr Sohn.«
    »Am Hölderlin-Gymnasium, drüben in Heidelberg.« Sie machte eine nervöse Handbewegung irgendwohin. »Jetzt ist er in Pension. Seit acht oder neun Jahren schon.«
    »Er ist doch noch nicht einmal sechzig. Und da ist er schon so lange pensioniert? Ist es wegen seiner Herzkrankheit?«
    Sie hob die Schultern. »Er konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben. Mehr weiß ich nicht darüber.«
    »Mit Menschen hat er wohl nicht viel Kontakt?« Ich lächelte sie an. Aber ihr Blick blieb traurig.
    »Er liebt die Ruhe«, sagte sie leise. »Sie haben sich ja vorhin seine Platten angesehen.«
    Ihre letzte Bemerkung verstand ich nicht. Immerhin hatten sich auch Bruckners Neunte und diverse Wagner-Opern in der Sammlung befunden.
    Vangelis kam hinaus in den Garten, um mir Bericht zu erstatten. Die durch den Verband erzwungene Kopfhaltung ließ sie noch unnahbarer wirken, als sie war. Und ihre Miene verriet, dass sie durch und durch wütend war.
    Ich musste später unbedingt Balke interviewen.
    »Das Messer haben wir nicht gefunden. Und auch sonst nichts Konkretes. Immerhin eine schwache Spur von der Küche durch den Flur bis zur Tür, die direkt zur Garage führt. Jemand scheint in Blut getreten und dann in die Garage gegangen zu sein.«
    »Seligmann?«
    Sie zuckte die Achseln und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Sie musste am Wochenende einen Unfall gehabt haben. Etwa mit dem Auto? Das wäre kein Wunder, schließlich fuhr sie immer wie eine Verrückte.
    »Die Spusi kann nicht mal die Schuhgröße ermitteln.« Vangelis hielt das Gesicht kurz in die Sonne und sah dann auf die Uhr, wozu sie den Arm ziemlich hoch halten musste. »Sven ist inzwischen auch hier. Wir fangen dann mal mit den Nachbarn an.«
    »Der Vermisste ist übrigens geschieden«, sagte ich, als sie sich zum Gehen wandte. »Versuchen Sie, seine ehemalige Frau aufzutreiben.«
    Vangelis verschwand wieder im Haus, aus dem leise, heimelige Geräusche drangen. Ich lehnte mich zurück und atmete tief ein. Eigentlich hätte ich längst wieder an meinem Schreibtisch sitzen und Verwaltungsarbeiten erledigen sollen. Aber soweit ich wusste, standen in meinem Kalender für den Vormittag keine wichtigen Termine, und Papierkram läuft ja zum Glück nicht weg. Hier, in dieser milden Luft, die nach Frühsommer und Frieden duftete, im Schatten dieses verwunschenen Gartens, war es allemal schöner als in meinem tristen Büro. Und außerdem konnte es ja nicht schaden, wenn ich meinen Leuten ein wenig Arbeit abnahm. Die Erfolge der ersten Stunden sind so oft entscheidend für die Aufklärung eines Falls. Wobei die ersten Stunden hier schon einige Tage zurücklagen.
    Ich lächelte meine Gesprächspartnerin an, um meine Frage ein wenig harmloser scheinen zu lassen. »Wie ist denn Herrn Seligmanns Verhältnis zu den Nachbarn?«
    »Er lebt mit niemandem im Streit, wenn Sie das meinen«, erwiderte sie eine Spur irritiert. »Aber wenn jemand so für sich bleibt, natürlich wird da geredet. Es ist ihm gleichgültig, wie die Leute über ihn denken.«
    Außerhalb des Schattens, in dem wir saßen, wurde es jetzt von Minute zu Minute heller. Sonne und Wärme setzten sich durch. Die Bank knarrte leise, als ich die Hände im Genick verschränkte.
    »Abgesehen von diesen Ausflügen, muss er auch sonst manchmal verreist sein. Schließlich haben Sie hin und wieder seine Tiere gefüttert.«
    Rebecca Braun biss sich auf die schmale Unterlippe. »Im Frühjahr fährt er meist für zwei Wochen in den Süden. Er kennt da einen kleinen Ort in der Provence, hat er mir einmal erzählt. Der ist so etwas wie seine zweite Heimat geworden. Und im Herbst manchmal für einige Tage in die Alpen. Wandern. Er liebt die Natur.«
    Nun fiel mir auch beim besten Willen nichts mehr ein, was ich noch fragen konnte. Seufzend erhob ich mich. Es half nichts, ich musste an meinen Schreibtisch zurück. Wenn wenigstens Sönnchen da gewesen wäre.
    Rebecca Braun reichte mir die Hand, lächelte zum ersten Mal ein wenig und drückte überraschend fest zu.
    »Wenn Sie mit meinem Mann sprechen – das werden Sie doch tun?«
    »Vermutlich.«
    »Würden Sie ihm … Er muss vielleicht nicht
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