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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen
Autoren: Wolfgang Burger
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Schwester? Gab es einen Mord, von dem ich noch gar nichts wusste?
    »Verstehen Sie nicht: Hörrles Frau, Isolde, sie war doch Jakobs Schwester«, flüsterte sie. »Als ihm das Wasser schon am Hals stand, hat er sie besucht. Wollte sich ein bisschen Geld pumpen. Letzten Sommer war das. Die beiden haben sich ja nie besonders gut verstanden. Nein, das ist untertrieben, gehasst haben sie sich, gehasst. Sie war so eine Hexe, so ein zänkisches Biest. Sie hat ja mehr Geld gehabt, als sie jemals ausgeben konnte. Sie hat genau so viel geerbt wie Jakob. Aber sie hat überhaupt nichts angefangen damit, sondern es einfach nur auf die Bank gelegt und die Zinsen versoffen. Gar nicht für lange, nur für ein Jahr wollte er sich was leihen, zwei, eine, sogar eine halbe Million hätte uns gerettet. Bis der Aktienmarkt sich wieder erholt hat. Er hätte es doch zurückgezahlt! Er wollte doch nichts geschenkt! Aber das geizige Stück, sie war ja so … so ein Biest … Ausgelacht hat sie ihn. Einfach gelacht.« Sie atmete heftig und tief. Das Lämpchen an der Zündelektronik war immer noch aus. Die fünf Sekunden waren längst um. Wir lebten noch.
    »Jakob kann manchmal so jähzornig sein. Und er kann es nicht vertragen, wenn man ihn auslacht«, murmelte sie tonlos. »Und schon gar nicht Isolde. Die mussten ja nur zwei Worte wechseln, schon hatten sie Krach, die beiden.«
    Ich versuchte, Ordnung zu schaffen in meinem Gehirn. »Damit ich alles richtig verstehe: Hörrle ist unschuldig? Er hat seine Frau gar nicht getötet?«
    Sie nickte stumm.
    »Aber warum … Ich verstehe immer noch nicht … Was hatte dann McFerrin mit der ganzen Sache zu tun?«
    In dem Augenblick, als ich die Frage aussprach, kam ich selbst auf die Antwort. Beim Mord an Isolde Beerbaum sprachen alle Indizien gegen ihren Ehemann. Wie Beerbaum es geschafft hatte, keine Spuren zu hinterlassen, wusste ich nicht. Vermutlich hatte er einfach nur das unverschämte Glück der Amateure gehabt. Die Heilbronner Kollegen hatten keine Spuren am Tatort gefunden, die auf die Anwesenheit eines Dritten hindeuteten. Vielleicht hatten sie nicht mit der notwendigen Sorgfalt gesucht, waren sich ihrer Sache zu sicher gewesen. Alles war ja so offensichtlich. Vitus Hörrle, der am fraglichen Abend schwer betrunkene und als gewalttätig bekannte Mann, gab den perfekten Mörder ab. Wozu also große Umstände?
    Als Hörrle begriff, dass niemand ihm Glauben schenken würde, hatte er die Aufklärung des Verbrechens selbst in die Hand genommen. Da er im Gefängnis saß, brauchte er einen Helfer. In seinem alten Freund Dean Morris McFerrin fand er ihn. Der hatte für ihn den wahren Mörder ausfindig gemacht. Es hatte lange gedauert, bis er den Beweis hatte. Vielleicht keinen gerichtsverwertbaren Beweis, aber immerhin etwas, das Hörrle genügte. Am Abend vor seinem Tod hatte er ihm diesen Beweis übermittelt, in einem Brief, und Hörrle hatte sich umgehend auf den Weg gemacht, um Rache zu üben.
    Ich erhob mich. »Nicht erschrecken. Ich mache Ihnen jetzt den Gürtel ab und binde Ihre Hände los.«
    Mit angstweiten Augen beobachtete sie jeden meiner Handgriffe. Erst als der Gürtel ab war, entspannte sie sich und sank in ihrem Stuhl zusammen. Legte das Gesicht in die gepflegten Hände. Der Waschmittelgeruch war plötzlich stärker. Mir kam ein Verdacht. Vorsichtig öffnete ich eines der Päckchen an dem Gürtel. Sie waren aus Wachstuch gefertigt unter Zuhilfenahme von Leukoplast und viel Isolierband. In dem Päckchen befand sich weißes Pulver mit blauen Körnchen. Vermutlich hatte Hörrle nach der Explosion des Hauses überhaupt keinen Sprengstoff mehr gehabt.
    Wütend schmiss ich den Krempel in die Ecke. Cornelia Johansson fuhr zusammen und riss die Hände vom Gesicht.
    »Entspannen Sie sich«, sagte ich. »Es war alles nur ein Trick. Ein ganz billiger Trick.«
    Sie räusperte sich erst zaghaft, dann stärker. »Das mit Isolde habe ich selbst erst heute Nachmittag erfahren«, sagte sie schließlich und starrte immer noch fassungslos die Reste des Gürtels an. »Ich habe ihn dasselbe gefragt wie Sie mich. Mir kam das auch alles ziemlich spanisch vor, mit McFerrin. Und da hat er schließlich gebeichtet. Jakob hat Dean bei diesem Abend in der Kneipe aus Versehen selbst den Hinweis gegeben, dass er es war, der Isolde umgebracht hat. Dean wusste nämlich gar nicht, wie sie ums Leben gekommen war, dass der Täter ihr das Genick gebrochen hatte. Das stand nie in den Zeitungen. Jakob hat es ihm erzählt,
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