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Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)

Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Head Shot: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Chris Knopf
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eine unumstritten schöne Frau, diese Defizite übersah, war für mich ein steter Quell der Überraschung. Und der Dankbarkeit.
    Nichtsdestotrotz war ich ein energiegeladener Mann von zweiundvierzig Jahren. Ganz besonders dann, wenn ich mich auf eine Aufgabe wie die momentane Suche konzentrierte. Ich brauchte nur sehr wenig Schlaf, und im Notfall war ich in der Lage, stundenlang stramm zu marschieren (zu laufen stand absolut nicht zur Debatte). Kurz gesagt, unter den richtigen Umständen zählte ich zu den kraftstrotzendsten Typen, die Sie jemals gesehen haben.
    Genau in diesem Modus befand ich mich, als ich durch die klare Frühlingsluft zur Poststelle marschierte, wo ich ein Postfach unterhielt. Häufig erforderten meine Recherchen eine Korrespondenz, die via Internet nicht möglich war, weshalb die vielgescholtene Schneckenpost zu meinen wichtigsten Hilfsmitteln gehörte, die ich beinah täglich in Anspruch nahm. Meine genaue Adresse zu verschweigen gehörte dabei zu den Sicherheitsmaßnahmen.
    Von Natur aus war ich nicht sonderlich sentimental. Wäre die Poststelle in meinem Viertel für mich nutzlos geworden, hätte ich ohne jedes Bedauern nie wieder einen Fuß hineingesetzt. Was eine Schande gewesen wäre, weil es mir dort gefiel. Es war ein altmodischer Laden, der sich bis jetzt der Modernisierung entzogen hatte. Die Postangestellten waren sämtlich wesentlich älter als ich. Personen in Uniform saßen hinter gewölbten Schaltern, umgeben von zerschrammter Eichenholztäfelung. Der Fußboden bestand aus Marmor, die Stempelmaschinen aus solidem Messing. Nur die Poster und offiziellen Nachrichten am Schwarzen Brett bewiesen, dass man nicht in die Vergangenheit gereist war. Dies und die aggressive Ungeduld der Kunden, die zwischen roten Samtkordeln Spießruten liefen.
    Am Schalter zeigte ich meine Postfachnummer und meinen Führerschein vor. Die Frau verschwand und kehrte nach wenigen Minuten mit einem Stapel von Briefen und gefütterten Transportumschlägen zurück.
    Unter den Briefen befand sich ein Scheck eines meiner Lieblingskunden: Klimatologen, für die ich Regressionsanalysen durchgeführt hatte. Sie erhielten ihre Aufträge aus der akademischen Welt, von der Regierung und der Industrie – der perfekte Hattrick, den sie ihrer rücksichtslosen Objektivität zu verdanken hatten. Ihre Aufgabe war es, das Wetter vorherzusagen. Nicht den Regen von Morgen, sondern die durchschnittliche Temperatur und Höhe des Meeresspiegels in fünf Jahren. Diese Typen arbeiteten nicht mit Daten, sie waren Daten. Reine Empiriker. Ich betete zwar nicht an ihrem Altar, aber ich war mit der Liturgie vertraut. Und darum brauchten sie mich. Die Regressionsgleichungen, die sie entwickelt hatten, konnten nicht nur mit mathematischen Formeln kontrolliert werden. Es brauchte ein wenig Finesse – ein kleines Zupfen hier und dort, um die Ergebnisse zu stabilisieren und die Modelle in vernünftigem Gleichgewicht zu halten. Und dann eine Erklärung der Bedeutung, die jeder, vom Wissenschaftler bis zum Geschäftsführer, verstehen konnte. Sie verrieten mir nie, ob ich ihre Zielvorgaben erfüllte – ich habe mit keinem von ihnen jemals ein Wort gewechselt –, aber sie fuhren fort, mir stapelweise DVD s voller Variablen und Parameter zu schicken, zahlten ihre Rechnung stets innerhalb von zehn Tagen und baten mich nie, etwas noch einmal zu überarbeiten.
    Mit dem ersten Auftrag erhielt ich von ihnen ein Programm, das meinen PC in ein kleines Terminal verwandelte, das über das Web mit ihren riesigen Rechnern verbunden war. Ein weiterer Grund, warum mir die Aufgabe zusagte: die Möglichkeit, von meinem bequemen Arbeitsplatz daheim mit gigantischen Rechnerkapazitäten zu arbeiten.
    Auf dem Rückweg bekämpfte ich die heilende Wirkung des Spaziergangs mit zwei Kugeln Schokoeis in der Waffel. Mit dem Chef der Eisdielenmannschaft war ich per du, was ein bezeichnendes Licht auf meine Strategien der Selbstbelohnung warf.
    Doch nicht ohne Buße. Den größten Teil meines Gesichts bedeckte seit meiner Collegezeit ein üppiger Elliott-Gould-Schnauzer. Mein einziges Merkmal, das mir jemals die Bewunderung des anderen Geschlechts eingetragen hatte, insbesondere die Florencias, was erklärt, warum ich ihn nie abrasiert hatte.
    Die meisten Lebensmittel konnte man damit einigermaßen bewältigen, Eis jedoch kaum.
     
    Zu Hause angekommen, stellte ich überrascht und erfreut fest, dass Florencias Auto in der Einfahrt stand, daneben ein dunkelbrauner
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