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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert
Autoren: Rüdiger Vaas
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Weltraum ausbreitet. Die Antwort lautet schlicht: Nirgendwohin! Die Expansion geschieht nicht wie bei der Volumenzunahme eines Luftballons, der in einem Ballsaal aufgeblasen wird, also im Raum, sondern wie bei der Gummihaut des Ballons, die aus sich selbst heraus immer größer wird, also an Fläche gewinnt (siehe Grafik rechts). Das ist ein mathematisch genau beschreibbarer Vorgang. Doch konkret vorstellen kann sich das niemand, denn auch im Fall einer Luftballonhülle denkt man sich unweigerlich einen Raum „drum herum“. Analog zur zweidimensionalen Luftballonhülle im dreidimensionalen Raum wird daher zuweilen angenommen, dass es eine vierte Raumdimension um unseren dreidimensionalen Weltraum gibt – einen Hyperraum. Das ist mathematisch möglich, physikalisch aber unnötig. Vielmehr wächst, schwer fassbar, der Weltraum gleichsam „innerlich“ wie die Luftballonhülle.
    (Nebenbemerkung für speziell Interessierte: Es gibt im Rahmen der String-Kosmologie tatsächlich einige Modelle, die einen höherdimensionalen Raum „außerhalb“ unseres Weltalls annehmen, in den dieses eingebettet ist. Vielleicht kann sogar die Schwerkraft in solche Extradimensionen entweichen und ist deshalb im Vergleich zu den anderen Naturkräften so schwach – eine Möglichkeit, die gegenwärtig experimentell untersucht wird. Aber die Annahme solcher Extradimensionen hat nichts damit zu tun, dass sich der Weltraum ausdehnt; und er expandiert auch nicht in sie hinein.)
    Die Luftballon-Analogie veranschaulicht noch mehr: Wie die zweidimensionale Oberfläche des Ballons hat auch der dreidimensionale Weltraum keinen Rand. (Ob er unendlich groß ist oder gleichsam in sich zurückläuft wie die Ballonhülle, ist ungeklärt.) Und klebt man kleine Punkte auf die Ballonhülle, dann entfernen sich diese beim Aufblasen alle voneinander – wie die Galaxienhaufen.
    Das Innere des Ballons ist in dieser Analogie kein Raum, sondern die Zeit. Früher war das expandierende Universum kleiner (jedenfalls bezogen auf den Beobachtungshorizont) so wie die Hülle des unaufgeblasenen Luftballons näher am Mittelpunkt in ihrem Inneren war. Dieser Mittelpunkt symbolisiert den Ursprung der Zeit. Überträgt man die Analogie auf das Universum, müsste es einst in einem „Punkt“ verdichtet gewesen sein und hätte sich seither rapide vergrößert.
    Genau das ist eine der aufregendsten Entdeckungen im 20. Jahrhundert: Der Weltraum dehnt sich aus, und rechnet man diese Expansion zeitlich zurück, dann kommt man unweigerlich zu einem extrem heißen und dichten Zustand. Es scheint, als entstamme alles – Raum, Zeit, Materie und Energie – aus einer geheimnisvollen Explosion: dem Urknall (Big Bang).
    Ausdehnung des Alls: Der Weltraum expandiert und die Galaxien entfernen sich voneinander – ähnlich wie Punkte auf der Oberfläche eines Luftballons, der aufgeblasen wird. Der Urknall-Theorie (oben) zufolge war die Materie im Universum einst dicht beisammen und verdünnt sich durch die Expansion. Das Steady-State-Modell nimmt hingegen eine kontinuierliche Neuentstehung der Materie an, so dass die Dichte im Lauf der Zeit gleich bliebe und das Universum sich im Großen und Ganzen nicht ändern würde. Diese Vorstellung gilt inzwischen aber als widerlegt.
    Doch wo hat sich der Urknall ereignet? In gewisser Weise überall und nirgends. Es existiert weder ein Mittelpunkt noch ein Rand des Weltraums. Es gibt auch keinen Ort im heutigen Universum, an dem man ein Denkmal platzieren könnte mit der Aufschrift „Hier hat alles begonnen!“. Denn das gesamte All ist letztlich eine Folge des Urknalls. Und somit auch der Ort genau über diesen Buchstaben. Der Urknall war also keine Explosion im Raum, sondern der Beginn einer Explosion des – oder zumindest unseres – Raums. (Von weiteren Missverständnissen und Terminologischem handelt der Exkurs Alternativen zum „Urknall“ .)
    EXKURS
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› Alternativen zum „Urknall“
    Die Hypothese vom Urknall wurde in den 1920er-Jahren entwickelt, als Kosmologen die Allgemeine Relativitätstheorie auf das Universum als Ganzes angewendet hatten und entdeckten, dass es nicht unbedingt seit Ewigkeit existiert: Vor allem der belgische Kosmologe Georges Lemaître argumentierte ab 1927 für einen Beginn der Zeit. In den 1930er-Jahren spekulierte er über den Zerfall eines
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