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Hauch der Verdammnis

Hauch der Verdammnis

Titel: Hauch der Verdammnis
Autoren: John Saul
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los? Gestern hatte er sich großartig gefühlt. Heute fühlte er sich wie ein alter Mann.
    Er weigerte sich, dem Schmerz in seiner Lunge nachzugeben, ignorierte sein heftig pochendes Herz und das Ziehen in seinen Beinen. Als sein Trainer zu ihm kam und fragte, ob alles in Ordnung sei, wehrte er ab. Es sei nur ein Krampf, sagte er und rieb sich den rechten Wadenmuskel, um seine Lüge glaubhafter zu machen. Der Trainer hatte ihm geglaubt - oder zumindest so getan, was ihm ebenso recht war -, und er war aufgestanden und wieder auf die Bahn gegangen.
    Er schaffte vier Runden, die letzte jedoch nur in einem Tempo, das eher einem zügigen Gehen glich.
    Der Trainer hatte ihn angeschnauzt: Er solle sich mehr anstrengen oder nach Hause gehen.
    Er hatte sich angestrengt, aber schließlich gab er doch auf und ging nach Hause.
    Und seitdem war es mit jedem Tag schlimmer geworden. Und mit jedem Tag musste er stärker gegen den Schmerz ankämpfen.
    Vorgestern war er beim Arzt gewesen, das viertemal seit Silvester, und auch diesmal hatte der Arzt nichts finden können. Wieder einmal hatte er die gleichen Fragen beantwortet. Ja, es sei ihm gut gegangen, als er nach Silvester mit seiner Mutter von Maui zurückgekehrt sei. Nein, sein Vater sei nicht dabeigewesen. Er war mit seiner neuen Frau und ihrem Baby zum Grand Canyon gefahren. Nein, es mache ihm nichts aus, dass sein Vater nicht mit nach Maui gekommen sei - im Gegenteil, er war heilfroh, dass seine Mutter seinen Dad endlich in die Wüste geschickt hatte, weil es seinem Dad offenbar Spaß gemacht hatte, sie beide zu verprügeln, wenn er besoffen war, was in den letzten beiden Jahren praktisch jeden Tag passierte, bevor er endlich abhaute. Nein, er hasse seinen Vater nicht. Er möge ihn nicht besonders und sei froh, dass er fort sei, aber er hasse ihn nicht.
    Er hasste nur die Schmerzen in seinem Körper.
    Der Doktor hatte vorgeschlagen, dass er vielleicht einen Psychiater aufsuchen solle, aber das würde er bestimmt nicht tun. Nur Spinner und Verlierer gingen zum Psychiater. Was immer mit ihm nicht stimmte, er würde es allein überwinden. Doch in den vergangenen beiden Tagen war der Schmerz fast unerträglich geworden. Er hatte Alpträume und wachte nach Luft schnappend auf. Schließlich hatte er unablässig Schmerzen, überall in seinem Körper.
    Irgendwann kam ihm der Gedanke, dass es besser sei, zu sterben als mit diesen Schmerzen leben zu müssen. An diesem Tag hatte er sich vorzeitig aus der Schule verabschiedet und war mit dem Wagen durch die Gegend gefahren, bis ihn ein Polizist anhielt und ihm wegen seines defekten Auspufftopfs einen Strafzettel verpaßte. Was, zum Teufel, sollte er jetzt tun? Er hatte nicht genug Geld, um den Strafzettel zu bezahlen, geschweige denn, den Auspuff reparieren zu lassen. Wozu eigentlich der ganze Aufstand? Der Auspuff machte doch kaum Krach, und im Wagen roch es auch nicht besonders stark. Aber seine Mutter würde ihm trotzdem die Hölle heiß machen, und sein Vater würde ihm einen endlosen Vortrag darüber halten, wieviel Geld es ihn kostete, zwei Familien zu unterhalten, wenn er ihn bat, ihm für die Reparatur etwas zu leihen.
    Was für ein Mist!
    Er bog in die von Bäumen gesäumte Straße ein, in der er sein Leben lang gewohnt hatte, und drückte auf den Knopf der Fernbedienung, die das Garagentor öffnete, als er noch zwei Häuser entfernt war. Er bog in dem Augenblick in die Auffahrt ein, als sich das Tor gerade ganz geöffnet hatte. Wie von selbst begann er das Spiel, das er jeden Nachmittag gegen sich selbst spielte. Er drückte erneut auf die Fernbedienung und versuchte so in die Garage zu fahren, dass sich das Tor gerade hinter dem Heck des Wagens herabsenkte.
    Heute schätzte er die Geschwindigkeit falsch ein. Mit einem lauten Knall schlug das Garagentor gegen die hintere Stoßstange. Jetzt hatte er nicht nur für einen Strafzettel und einen kaputten Auspuff geradezustehen, sondern auch noch für die Kratzer am Wagen und an der Garagentür.
    Und ihm tat alles weh.
    Vielleicht sollte er nicht gleich ins Haus gehen, sondern erst mal ein Weilchen sitzen bleiben.
    Einfach dasitzen und abwarten.
    Ein Gefühl der Wärme breitete sich in ihm aus und vertrieb die Schmerzen, die er so lange ertragen hatte. Plötzlich sah alles rosiger aus.
    Vielleicht hatte er die Lösung all seiner Probleme gefunden.
    Ohne seine Mutter.
    Ohne seinen Trainer.
    Selbst ohne seinen Arzt.
    Der Junge schloß die Augen und atmete tief ein. Zum erstenmal seit
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