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Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Titel: Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Autoren: beltz Verlag
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nämlich überhaupt ihren Leib mit Wasser nicht waschen.«
    Aus Herodots Schilderungen sowie einigen archäologischen Funden wurde der Schluss gezogen, dass die Skythen bereits Cannabis geraucht bzw. inhaliert hätten, um sich zu berauschen. Restlos überzeugende Beweise gibt es jedoch nur für die Tatsache, dass bei Begräbnisritualen und der damit einhergehenden Reinigungszeremonie Cannabissamen verbrannt wurden. Keine unmittelbaren Belege existieren indes für die Legende, dass bei solchen Ritualen bewusst harzreiche Cannabisblüten verdampft worden wären, um euphorische Zustände zu bewirken. Die Cannabissamen entfalten ihrerseits keine psychoaktiven Wirkungen. Sie dienten den Skythen nebst Zypressen, Zedern und Weihrauch ausschließlich als Räucherwerk. Auszuschließen ist nicht, dass die Skythen sich bereits an Cannabis berauschten. In jedem Falle war ihr ritueller Gebrauch der Rauschdroge etwas völlig anderes als der beliebige Cannabisgebrauch in unseren Zeiten.
    Vergleichen lässt sich das reinigende skythische Dampfbad mit schamanistischen Schwitzhüttenritualen, wie sie sich bei heutigen »Wahrheitssuchern« zunehmender Beliebtheit erfreuen, nicht selten in Verbindung mit psychoaktiven Drogen.
    Eine besonders hartnäckige Legende wird immer wieder absichtsvoll benutzt, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Haschischgebrauch und Aggressivität zu belegen. Sie betrifft die »Mörderbande der Assassinen«. Die Legende nimmt ihren Ursprung in der Erzählung über den »Alten vom Berge«, Scheich Hassan Ibn Al-Sabbah. Ihr zufolge wird der zielgerichtete Gebrauch von Haschisch in Verbindung gebracht mit einem in Persien beheimateten islamischen Kult. Dessen Anhänger seien mithilfe von Haschisch dazu angehalten worden, gedungene Morde zu begehen. Den historisch-politischen Nährboden, auf dem die Legende gedieh, bildeten frühe innerislamische Auseinandersetzungen um den rechten islamischen Weg und seinen führenden »Imam«. Die 1090 nach Christus gegründete Bruderschaft um Hassan Ibn Al-Sabbah und seine nachfolgenden Großmeister bestand aus den Ismaeliten oder »Nizari«. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, ihr politisch-religiöses Selbstverständnis im gesamten Islam durchzusetzen. Ihre Zeit endete 1256 mit dem Fall ihrer letzten islamischen Festung »Alamut«.
    In den Jahren 1209/10 nach Christus berichtete erstmals der Abt Arnold von Lübeck, welcher sich mit den Kreuzzügen beschäftigte, über die Ismaeliten. Etwa hundert Jahre später trug Marco Polo zur weiteren Verfestigung der Legenden um den Orden bei. Zur Zeit seiner Berichte aus zweiter Hand waren die religiös motivierten Taten der Ismaeliten bereits zu sagenhaft ausgeschmückten Erzählungen gediehen.
    Wie kam es nun aber zu der irreführenden und unhaltbaren Verbindung von Haschischgebrauch und fanatisierten Morden in der Legende um die Assassinen? Der Konsum von Haschisch in Persien, Arabien und im gesamten Nahen Osten war bereits bekannt. Das Wort »Haschischin« oder »Haschischesser« bezeichnete den Missbrauch der Substanz. Den Ismaeliten wurde der Beiname »Haschischin« verliehen, weil man ihnen gängigen Berichten zufolge unterstellte, gezielt ein Rauschmittel zu verwenden, um ihre Anhänger gefügig zu machen. Vermutlich enthielt die Bezeichnung »Haschischin« auch einen Unterton von Verächtlichkeit für ihre fanatischen Anschauungen und Gebräuche. Dass sie ihre Gegner gewaltsam aus dem Weg zu räumen pflegten, ist unbestritten. Dass sie dafür Haschisch verwendeten, ist erstens nicht belegt, und zweitens stimmt mordende Gewalttätigkeit in keiner Weise mit dem Wirkungsspektrum von Haschisch überein. Sofern die Ismaeliten überhaupt Cannabis gebrauchten, mussten sich die Attentäter jedenfalls vor ihren Anschlägen in strenger Enthaltsamkeit üben: »Haschisch macht sanft; der Dolch trifft dann nicht, da das Herz zu Zärtlichkeiten neigt«, belehrt eine ihrer Schriften.
    Es bedurfte überhaupt keiner Droge, um gläubige Anhänger der religiösen Bruderschaft gefügig zu machen. Gläubiger Fanatismus wirkt wie eine Droge an sich und hat sich zu einer neuen Geißel der Menschheit ausgewachsen. Die afghanischen Taliban beispielsweise, welche mit ungebrochenem religiösem Eifer ihr Bild vom »Gottesstaat« durchzusetzen versuchen, sind zeitgenössische Nachfahren der Ismaeliten. Überall, wo religiös motivierter Fundamentalismus am Werk ist, findet der berühmte Satz des nahezu vergessenen Karl Marx sein neues Verständnis:
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