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Hartland

Hartland

Titel: Hartland
Autoren: Wolfgang Buescher
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Körbe voller Essen in ihre Kirche. Ein paar Meilen weiter südlich störte ich zwei Geier beim Lunch, sie hatten sich über ein totgefahrenes Gürteltier hergemacht. Wenn mir die Hitze und das auf- und abschwellende Brausen der Autos zuviel wurden, bog ich auf einen der Pfade ab, die zu einem Fluß führten oder in den Wald. Oder ein unwiderstehlicher Name lockte von der Straße fort. Pleasant Creek. Allen Creek, ich hatte Alien Creek gelesen. Texas blühte und glühte. Wenige Wochen, und die ganze Pracht würde verdorrt sein, aber noch lag ich in denFarben des Südens, auf gelb und rot blühenden Wiesen, und sprach gelb-rote Texasnamen vor mich hin: Indian Paintbrush. Indian Blanket. Texas Dandelion. Evening Rain Lily. Mexican Hat.
    Dann wieder lief ich, allein auf der Straße, im Brausen des Windes, wie benommen nach Süden, ohne Namen, ohne Gedanken, und mehr als einmal packte mich ein gelinder Schrecken, wenn ich aus diesem Zustand hochfuhr. Wo bin ich? Tanglewood waren ein paar Häuser und ein paar Männer, die ein Stück Land umgruben, den Fremden, der an ihnen vorbeilief, beachteten sie nicht.
    In Lexington überfiel mich das Heimweh bei «Johnny on the Square». Ich ging hinein, sah, was ich lange nicht mehr bewußt gesehen und noch länger nicht mehr gekostet hatte, und das Wasser lief mir im Mund zusammen. Ich bestellte einen Teller voll und biß in den ersten weichen Ballen hinein. Außerhalb Berlins hießen sie Berliner, in Berlin Pfannkuchen. Kräppel hießen sie, wenn meine Großmutter sie buk und mir einen Teller voll hinstellte, so einen wie jetzt. Ich verbrachte eine glückliche Stunde bei «Johnny».
    In vielen Cafés hing der Slogan, den ich schon so oft gesehen hatte: «We support our troops!» Hier hing Johnny, der Soldat, an der Wand – eine Fotografie zeigte ihn mit einem irakischen Kameraden, heimkehrend aus einem Einsatz, darunter stand: «Ein langer, heißer Tag. Wir gerieten unter Feuer, kamen aber halbwegs heil davon.»
    In Austin war es so heiß, daß ich begann, die Hitze zu riechen – nicht etwa einen durch Erhitzung freigesetztenGeruch, nein, die Hitze selbst stieg mir in die Nase, ein extrem warmer, extrem trockener Anhauch. Von der Sixth Street erwartete ich nichts, aber meine Skepsis wurde enttäuscht. Ein Hochzeitsgast hatte mir von dieser Straße vorgeschwärmt in jener stürmischen Nacht in Waco, ein Autohändler, der sich an der Hotelbar an seine Jugend erinnerte. «Nach Austin wollen Sie Glücklicher? Ja, in die Sixth Street müssen Sie – na, das wird eine lange Nacht.»
    Was wird schon sein, dachte ich, eine weitere Stadt, ein weiteres Viertel, das sich als Bumsfallerabude prostituiert, und alles sah danach aus, als ich am späten Nachmittag durch die Straße lief. Bier floß, dazu plärrte Biermusik aus den offenen Bierschwemmen, eine an der anderen, alle dafür da, daß Männer noch Jahre später Anekdoten von ihrem grandiosen Besäufnis damals in der Sixth Street erzählen konnten. Fünf Minuten, und ich war weg. Als ich aber spätabends auf dem Rückweg noch einmal durch die Straße lief, blieb ich vor einer offenen Tür stehen. Drinnen spielte auf einer kleinen Bühne eine Band den Blues, der Sänger war ein älterer Mann, eine vollkommen unauffällige, ja biedere Erscheinung in Kleidung und Aussehen, aber Jesus, was für eine Stimme! Und die Gitarristen! Kerle vom Land, Typ
ranch hands
, denen man weit eher zugetraut hätte, einen Traktor zu reparieren als Saiten zu zupfen mit ihren groben Händen. Hinter dem Schlagzeug saß allem Anschein nach ein pensionierter Versicherungsangestellter. So etwas hatte ich noch nie gesehen und gehört. Fassungslos folgte ich dem furiosen Auftritt der grauen Herren. Als sie endeten, war es, als habe man auch ihnenden Strom abgedreht; ihrer Instrumente und ihrer Musik entledigt, verwandelten sie sich in ein paar alte Männer auf der Suche nach einem Feierabendbier.
    Kaum war die Truppe abgetreten, betrat der nächste Musiker die Bühne. Ich verstand das Prinzip. Alle, die auf der Bank vor der Bühne hockten wie Hühner auf der Stange, waren Musiker. Sie kamen hier herein, stellten sich hinten an, warteten geduldig auf ihre halbe Stunde Ruhm, und wenn sie dran waren, gaben sie alles. Danach ließen sie den Hut herumgehen. Nun gaben die Gäste, je nachdem, wie es ihnen gefallen hatte. Und dann verschwanden diese wundervollen Musiker wieder in der Nacht, aus der sie gekommen waren.
    Der nächste – ein dicker Glatzkopf, sein
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